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träglich, nachdem das Platin längst abgegeben ist, einen anderen Standpunkt
geltend machen, so müßte ein solches Vorgehen als ein schweres Unrecht be-
zeichnet werden.
Wir brauchen wohl nicht darauf aufmerksam zu machen, daß Platingeräte
für die in Betracht kommenden Institute ein in vielen Belangen unersetzlicher
Behelf sind, und daß der Mangel an Platin nicht nur einzelne Arbeiten, sondern
ganze Arbeitsrichtungen ausschaltet. Von dem Umfange des Schadens, den
Unterricht und Forschung auf solche Weise erleiden können, vermag sich der
Fernstehende keine Vorstellung zu verschaffen.
Erschwerend ist noch für uns die Tatsache, daß einzelne Lehrkanzeln bei
der Platinablieferung (offenbar) die vorjährige kleine Hörerzahl berücksichtigt
haben und daher bei dem jetzigen Andrang schon heute in Verlegenheit sind.
Dieser Andrang wird in den nächsten Jahren noch steigen.
Das Professorenkollegium, so Emich weiter, wolle sich daher an das Minis-
terium für Kultus und Unterricht wenden und dieses ersuchen, mit größtem
Nachdruck dahin zu wirken, dass die abgegebenen Platinmengen auch tat-
sächlich in Natura rückerstattet würden. Der Rektor wandte sich am 7. August
1918 mit einem entsprechenden Schreiben an das Ministerium.267 Eine Ant-
wort des Ministeriums blieb bis Kriegsende aus.
Der Staat erhob neben Platin aber auch Ansprüche auf Vorräte an anderen
Metallen. So stellte Professor Albert von Ettingshausen am 14. April 1915 die
unverwertbaren Kupfer u. Zinkvorräte aus der Lehrkanzel für Physik und Elek-
trotechnik für Kriegszwecke zur Verfügung. Dabei handelte es sich um je 40
Kilogramm dieser Metalle.268
Gerade Kupfer hatte für militärische Zwecke eine enorm hohe Bedeutung. Es
wurde für Geschoßbänder und Führungsringe benötigt, während Messing für
die Produktion der Hülsen von Patronen und Granaten verwendet wurde, aber
auch für Zünder in Artilleriegeschoßen. Und gerade beim Kupfer trat im Lauf
des Krieges eine enorme Verknappung ein, da vor dem Jahr 1914 insgesamt
77% des in der Monarchie verarbeiteten Kupfers aus den USA eingeführt wor-
den war, nachdem die alpine Kupferindustrie im Lauf des 19. Jahrhunderts
mehr oder weniger das Zeitliche gesegnet hatte. Lediglich das Bergrevier Mit-
terberg-Mühlbach im Bereich Bischofshofen - St. Johann im Pongau - Hochkö-
nig lieferte zu Kriegsbeginn im Sommer 1914 noch 4,7% des österreichischen
Kupferbedarfs, und das entsprach immerhin 80% der eigenen, heimischen
Gesamterzeugung.269 Die Ablieferung von Kupfergegenständen war also tat-
sächlich von hoher Kriegswichtigkeit.
267 ATUG, Rektoratsakte 1145 ex 1918, Schreiben vom 18. 7. und vom 7. 8. 1918.
268 ATUG, Rektoratsakte 268 ex 1915, Schreiben vom 14. 4. 1915.
269 Hubert WEITENSFELDER: Metalle, Sprengstoff, Pflanzenfasern. Kriegsbedingte Ersatzmittel und
Ersatzverfahren. In: Wirtschaft, Technik und das Militär 1914 - 1918. Österreich-Ungarn im
Ersten Weltkrieg. Herausgegeben von Herbert Matis, Juliane Mikoletzky und Wolfgang Reiter
(= Austria: Forschung und Wissenschaft, Geschichte, Band 11), Wien 2014, S. 227 ff. Kupfer-, Messing-
und Zinkablieferungen
Abb.: Professor Albert von
Ettingshausen, Aufnahme
aus der Zeit um 1905 (ATUG).
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Title
- „ In diesen schweren Tagen“
- Subtitle
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Author
- Bernhard Reismann
- Editor
- Technische Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Categories
- Geschichte Nach 1918