Page - 244 - in „ In diesen schweren Tagen“ - Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
Image of the Page - 244 -
Text of the Page - 244 -
244 Die - theoretisch beziehungsweise institutionell vorgegebene - enge Verbin-
dung zwischen Hochschule und Kaiserhaus fand vor allem im Besuch von Fest-
gottesdiensten anlässlich hoher Feiertage der Mitglieder des Kaiserhauses
ihren öffentlichen Niederschlag. Natürlich wurde daher auch das alljährliche
Geburtsfest des Kaisers am 18. August während des Krieges weiterhin began-
gen, und so erhielt das Rektorat der Technischen Hochschule am 15. August
1914 vom Präsidium der Statthalterei die obligate alljährliche Einladung zur
kirchlichen Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Seiner k. u. k. Apostolischen
Majestät unseres allergnädigsten Kaisers Franz Joseph I., die am 18. August
1914 im 10 Uhr vormittags in der Grazer Hof- und Domkirche mit einem feierli-
chen Hochamt samt Te Deum abgehalten wurde.433 Gleiches wiederholte sich
anlässlich des alljährlichen Trauergottesdienstes für die ermordete Kaiserin
Elisabeth am 10. September 1914.434
Beim Gottesdienst anlässlich des Geburtstages des Kaisers am 18. August
1915 kam es im Grazer Dom übrigens zu einem peinlichen Vorfall, den Rektor
Oskar Peithner von Lichtenfels in der Folge sehr verärgert der Statthalterei
in Graz zur Kenntnis brachte. Peithner kam an diesem Tag gegen 10 Uhr in
Begleitung des Prodekans Dr. Adolf Klingatsch und des Dekans Oberbaurat
Franz Drobny in der Domkirche an, um dem feierlichen Hochamt beizuwohnen,
und fand die Bank, die sonst den Würdenträgern der Technischen Hochschule
zugewiesen war, nämlich jene, die unmittelbar hinter der ersten auf der rech-
ten Seite des Schiffes lag, also direkt hinter den Würdenträgern der Karl-Fran-
zens-Universität, vom Direktor der Grazer Universitätsbibliothek, Dr. Johann
Peisker, und einer zweiten Person besetzt, vor. Auf die zweimalige Aufforde-
rung Peithners, den Platz zu räumen, weigerte sich Peisker, gab an, diese Bank
sei seit einer langen Reihe von Jahren der Universitätsbibliothek vorbehalten
gewesen und schloss die zur Bank führende Tür, die Peithner bereits in der
Hand hatte. Der Hochschuldiener, der in die Kirche entsendet worden war, um
Rektor Peithner diese Tür zu öffnen, hatte Peisker bereits zuvor auf seinen Irr-
tum hingewiesen, doch dieser verhielt sich einfach verstockt. Da der Bischof
in diesem Moment bereits einzog, ersparte sich Peithner in der Folge eine Sze-
ne. Da Peisker im Übrigen - nach dem Wissensstand Peithners - kurz vor der
Pensionierung stand,435 wollte der Rektor kein Disziplinarverfahren gegen den
Bibliotheksdirektor einleiten lassen, er wolle den Statthalter aber über den
Vorfall in Kenntnis setzen. Dazu führte er aus:
Es ist in keiner Weise zulässig, daß die Würdenträger der Technischen Hochschu-
le, die in Ausübung ihres Amtes als Vertreter der Hochschule öffentlich auftre-
ten, hinter den Beamten der Universitätsbibliothek gereiht werden. Sie haben
Anspruch auf Plätze gleichen Ranges wie die Würdenträger der Universität.
Patriotische Feste
und Feiern
433 ATUG, Rektoratsakte 1180 ex 1914, Schreiben des Statthalterei-Präsidiums vom 15. 8. 1914.
434 ATUG, Rektoratsakte 1222 ex 1914, Schreiben des Statthalterei-Präsidiums vom 4. 9. 1914.
435 Hier irrte Peithner ganz offensichtlich, Peisker war damals zwar bereits 64 Jahre alt,
blieb aber noch bis 1919 Leiter der Grazer Universitätsbibliothek und unterrichtete
anschließend bis 1921 noch an der Universität Prag Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Title
- „ In diesen schweren Tagen“
- Subtitle
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Author
- Bernhard Reismann
- Editor
- Technische Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Categories
- Geschichte Nach 1918