Page - 312 - in „ In diesen schweren Tagen“ - Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
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312 Lehrende und Studierende der Technischen Hochschule in Graz stellten sich
im Geist der studentischen Bewegungen der Freiheitskriege gegen Napoleon
sowie des Jahres 1848 noch während der letzten Kriegswochen in den Dienst
des zu gründenden neuen Staates Deutschösterreich, wenn auch aus einer
Vielzahl verschiedener Motivationen. Beiden Gruppen gemeinsam war dabei
der Wunsch, die zuletzt immer ungeliebtere Monarchie hinter sich zu lassen
und am Aufbau eines neuen Staatswesens mitzuwirken. Dies geschah im
überwiegend vorherrschenden Geist des Deutschnationalismus, der beiden
Gruppen zu eigen war. So ist es auch zu erklären, dass von Studenten und Leh-
renden in diesem Zusammenhang währen dieser letzten Wochen des Jahres
1918 sehr viel von den „Deutschen in Österreich“ dem „Deutschen Volk“ und
von „Deutschösterreich“ selbst gesprochen wurde.
Es war ein äußerst heterogenes Gemisch von Agierenden verschiedenster
politischer Herkunft, vom Deutschliberalen bis zum Deutschnationalen, das
in diesen Tagen des Umbruchs aktiv wurde. Besonders die Studentenschaft
der Technischen Hochschule war durch die Kriegserlebnisse und den gerade in
der Steiermark so stark wirksam gewordenen Gegensatz zu den „Südslawen“
in der damaligen Untersteiermark schon Ende 1918 weitgehend radikalisiert
in ihren Ansichten, und so wird es auch nicht verwundern, dass sich viele der
maßgeblich agierenden Studierenden der Frontgeneration dieser Tage später
in den Kadern der Steirischen Heimatschutzes und später auch in jenen der
steirischen NSDASP wiederfanden. Am Beginn dieser Entwicklung stand aber
das Ende.
Die Ereignisse rund um den Zerfall der Donaumonarchie überschlugen sich ab
dem Oktober des Jahres 1918. Kaiser Karl versuchte in einem letzten Aufbäu-
men am 16. Oktober 1918 mit einem Manifest, das inoffiziell als „Völkerma-
nifest“ bezeichnet wurde und sich an „seine getreuen Völker“ richtete, den
völligen Zerfall der Monarchie - oder doch zumindest der österreichischen
Reichshälfte - zu verhindern. Er forderte in seiner Eigenschaft als Staatsober-
haupt der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder, seit 1915 die „ös-
terreichischen Länder“ genannt, die Bildung von provisorischen Nationalräten
als Vertretungen des jeweiligen Volkes und die Neuorganisation Österreichs
als Bund freier Völker. Doch wie die Neue Freie Presse bereits am 18. Oktober
1918 in diesem Zusammenhang anmerkte, so verhielt es sich auch in der Re-
alität: Ein Bundesstaat aus Völkern, die sich meistens gegenseitig nicht aus-
stehen können, in Sprache und Gesinnung sich unterscheiden und den inneren
Frieden schon früher in der Absonderung gesucht haben, wird nicht leicht zu
gründen sein.598
Ende und neuer Anfang
Die Professorenschaft
und der neue Staat
598 Neue Freie Presse, Nr. 19.450/1918, 18. 10., Morgenblatt, S. 1.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Title
- „ In diesen schweren Tagen“
- Subtitle
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Author
- Bernhard Reismann
- Editor
- Technische Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Categories
- Geschichte Nach 1918