Page - 313 - in „ In diesen schweren Tagen“ - Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
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Ganz im Gegenteil wurden nun jene Bestrebungen in den einzelnen Ländern,
die man bis dahin als „hochverräterischen Separatismus“ eingeschätzt hat-
te, vom Monarchen selbst mehr oder weniger autorisiert, und binnen weni-
ger Tage erklärten die politischen Vertreter der jeweiligen Völker nun ganz
offen die Selbständigkeit, wobei sie durch die Reaktion des amerikanischen
Präsidenten Woodrow Wilson auf das Manifest Kaiser Karls noch zusätzlich
Auftrieb erhielten. Ende Oktober 1916 war Österreich-Ungarn jedenfalls als
Realunion zweier Staaten ebenso bereits Geschichte wie die vormalige öster-
reichische Reichshälfte.
In Wien trat auf Basis dieses Manifests am 21. Oktober 1918 im niederöster-
reichischen Landhaus in der Herrengasse - dort wo 1848 auch die Revolution
begonnen hatte - die „Provisorische Nationalversammlung für Deutschöster-
reich“ zusammen, bestehend aus jenen 208 im Juni 1911 gewählten Mitglie-
dern des letzten Reichsrates, die im Abgeordnetenhaus die deutschsprachi-
gen Gebiete der österreichischen Reichshälfte vertreten hatten.
Noch an diesem 21. Oktober 1918 erging eine Kundgebung der Technischen
Hochschule in Graz an den deutschen Nationalrat im Landtagsgebäude in der
Herrengasse in Wien. Im Original hat sich diese Kundgebung nicht erhalten.
Das Grazer Tagblatt berichtete über sie allerdings:
Kundgebung des Professorenkollegiums der Technischen Hochschule in
Graz. Das Professorenkollegium der Technischen Hochschule in Graz hat am 21.
d. M. einstimmig eine Kundgebung beschlossen, in der der Zusammenschluß
zum Nationalrat begrüßt wird, der der einzig berufene Vertreter Deutschös-
terreichs bei seiner Neugestaltung sei. Er möge unerschütterlich auf dem frei-
en Selbstbestimmungsrecht des gesamten deutschösterreichischen Volkes
bestehen und unbekümmert um sonstige Interessen und Rücksichten mann-
haft für das Wohl der Deutschen Österreichs eintreten. Es wird erwartet daß
der Nationalrat beim Aufbau Deutschösterreichs und bei der Herstellung aller
seiner staatlichen Beziehungen die volle Sicherung des kulturellen und wirt-
schaftlichen Anschlusses an das ganze deutsche Volk durchsetzt.599
Das Professorenkollegium der Technischen Hochschule in Graz stellte sich
damit also sofort auf die Seite des neuen Staates und war von Beginn an für
den „Anschluss“ an das Deutsche Reich. Damit ging man ganz offensichtlich
weiter als die Kollegenschaft an der Grazer Karl-Franzens-Universität. Deren
Akademischer Senat verabschiedete am selben Tag nämlich ebenso eine
Kundgebung, die die Schaffung eines selbständigen deutschen Nationalra-
tes als Gebot der Stunde begrüßte um die schwer gefährdeten Interessen des
deutschen Volkstums in Österreich zu wahren. Der Akademische Senat der
Grazer Universität sah in diesem Nationalrat den verfassungsmäßigen Vertre-
599 Grazer Tagblatt, Nr. 289/1918, 22.10., Abendausgabe, S. 1.
„ In diesen schweren Tagen“
Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Title
- „ In diesen schweren Tagen“
- Subtitle
- Die Technische Hochschule Graz im Ersten Weltkrieg
- Author
- Bernhard Reismann
- Editor
- Technische Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-627-7
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 334
- Keywords
- Forschungseinrichtung, Universität, Bildung, Krieg, Forschung, TU Graz
- Categories
- Geschichte Nach 1918