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Einleitung ‒ Antagonismus, Versöhnung, Gleichgültigkeit?
heit15, publiziert. Zwar vereinte dieser Band viele renommierte Historiker, das
Resultat war jedoch eine einseitige Analyse. Die jüngste Geschichte Südtirols
wurde als das Ergebnis einer Verkettung von italienischen Fehlern dargelegt:
vom Nationalismus bis zur Annexion, vom Faschismus bis zur unbefriedigen-
den Nachkriegslösung, während die Südtiroler als Opfer dargestellt wurden16.
Der Südtirol-Streit beschränkte sich aber nicht nur auf die politische
und journalistische Debatte und auf die Geschichtswissenschaft. Davon be-
troffen waren auch die politischen und diplomatischen Beziehungen. Es ist
interessant zu beobachten, wie eng diese beiden Bereiche miteinander ver-
flochten waren. Sie beeinflussten und inspirierten sich gegenseitig. Ein Bei-
spiel dafür liefert die Auseinandersetzung anhand zweier in der zweiten
Hälfte der Sechzigerjahre veröffentlichten Werke. Am Anfang stand das be-
reits erwähnte Buch „Diplomatie um Südtirol. Politische Hintergründe eines
europäischen Versagens” von Karl Heinz Ritschel, erschienen im Jahr 1966.
Der österreichische Journalist warf den österreichischen Politikern nach-
drücklich vor, sie seien zu nachgiebig und nicht imstande, den Schutz der
Südtiroler Minderheit sicherzustellen. Er wünschte sich, wie viele andere
auch, das Scheitern der laufenden Verhandlungen, denn die vorgeschlagene
Lösung werde den Südtiroler Interessen nicht gerecht und stelle keine echte
Garantie auf internationaler Ebene dar. In seiner Arbeit wird die Südtirol-
frage aus einer historischen Perspektive analysiert. Ritschel spannt thema-
tisch den Bogen vom Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg bis hin zu den
Verhandlungen von 1966. In diesem Zusammenhang kritisiert der Autor die
politische Linie von Außenminister Lujo Tončić-Sorinj auf das Heftigste. Die-
ser Band wurde vom österreichischen Außenministerium als Angriff auf die
Verhandlungen angesehen, da darin deren Scheitern in den Raum gestellt
wurde. Ritschel verwendete in der Rekonstruktion des Ablaufs der Verhand-
lungen vertrauliche diplomatische Dokumente, aus denen er umfassend zi-
15 Michael Gehler, Zur Kulturkommission des SS-„Ahnenerbes” in Südtirol 1940–43
und Geschichte des „Tolomei-Archivs” 1943–45. Entgegnungen zu Franz Huters „Feststel-
lungen”, in: Geschichte und Gegenwart 11:3 (1992) 208 ff.; Michael Wedekind, Franz Huter
(1899–1997); „Verfügen sie über mich, wann immer sie im Kampfe um die Heimat im Ge-
dränge sind“, in: Österreichische Historiker 1900–1945, Bd. 2, hrsg. von Karel Hruza (Wien
2012) 591 ff.
16 Südtirol. Eine Frage des europäischen Gewissens, hrsg. von Franz Huter (Wien 1965).
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Title
- Die schwierige Versöhnung
- Subtitle
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Authors
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Editor
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Publisher
- Bozen-Bolzano University Press
- Location
- Bozen
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Size
- 16.0 x 23.0 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Categories
- Geschichte Nach 1918