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Alcide De Gasperi und die österreichische Politik vom Reich bis zum „Anschluss“
fehlten, abschaffte und für Gerechtigkeit bei den Volksschichten sorgte“51.
Der Politiker aus dem Trentino schrieb im November 1905: Der Felsblock be-
wegt sich, die Angelegenheit der Wahlreform ist auf dem Wege der Lösung. Wenn sie
einmal das Parlament erreicht hat, stirbt sie nicht mehr. Es stimmt: Dies hätte augen-
blicklich ein unglückliches Ende.52 De Gasperi spielte auf die Abstimmung über
die Dringlichkeit der Anträge zur Wahlreform an, die am 6. Oktober 1905
nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht hatten. Zu denen, die da-
gegen stimmten, gehörten aus Angst vor einer slawischen Überfremdung
auch die küstenländischen Abgeordneten von Gradisca sowie der Istrianer
Lodovico Rizzo. Für das allgemeine gleiche Wahlrecht stimmten die Sozial-
demokraten, die Tschechen, die Südslawen, die polnische Volkspartei und
die Ruthenen; bei den Deutschen gaben ihre Zustimmung die Freialldeut-
schen, die deutsche Volkspartei und die Christsozialen, wobei es bei den letz-
ten beiden zu nicht unwesentlichen Stimmenthaltungen gekommen war53.
De Gasperi schrieb dazu:
Aber die Ungerechtigkeit des aktuellen Systems, die im Parlament von Ka-
tholiken, von vielen Liberalen und von Sozialisten erklärt wurde, die in den
Wahlkundgebungen von Personen unterschiedlicher und gegensätzlicher
Grundsätze bloßgelegt wurde, hält dem Ansturm nicht stand und gibt nach.
Die Regierung selbst kündigt an, es sei in Arbeit.
In Österreich handle es sich nicht um die Anwendung einer einfachen For-
mel, erklärte de Gasperi, es müssten verschiedene Standpunkte berücksich-
tigt werden, wenn man wolle, dass der Übergang mit nicht allzu gewaltigen
politischen Erschütterungen verlaufe. Es war eine Arbeit, die ruhige und gründ-
liche Überlegung bedurfte. Mit der Anspielung auf diverse von den Sozialisten
zugunsten des allgemeinen Wahlrechts organisierte Veranstaltungen forder-
te De Gasperi Ruhe im öffentlichen Leben. Das Parlament und nicht die Stra-
51 Zitiert aus Vecchio, De Gasperi e l’Unione Politica Popolare 550.
52 Alcide De Gasperi, Il governo e la riforma elettorale, in: La voce cattolica (6. November
1905); nun auch in: De Gasperi, Scritti e discorsi politici, Bd. I/1 184 f; siehe auch Ders., Il suff-
ragio universale in Austria, in: La voce cattolica (11. Oktober 1905); nun auch in Ders., Scritti
e discorsi politici, Bd. I/1 376 ff. (Übers. d. Verf.)
53 Höbelt, Parteien und Fraktionen 971.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Title
- Die schwierige Versöhnung
- Subtitle
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Authors
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Editor
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Publisher
- Bozen-Bolzano University Press
- Location
- Bozen
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Size
- 16.0 x 23.0 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Categories
- Geschichte Nach 1918