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und Messestiftung wurden seitens der Stadt für so wichtig erachtet, dass sie auch in den
einleitenden Worten der Ordnung des Jahres 1634 prominent erwähnt wurden (Edition
Nr. 19, S. 519f.). Stadtamann und Rat erhielten das Recht der Präsentation beim Bischof
von Chur. Zusätzlich zu dieser Hauptaufgabe musste der Priester überdies bei allen „gött-
lichen“ Ämtern in der Pfarrkirche St. Nikolaus singen helfen. In das Hospital wurden
regelmäßig auch arme Schüler aufgenommen und dort versorgt, die vom Benefiziaten
Unterricht in Gesang und Musik erhielten. Als Gegenleistung mussten sie sowohl in der
Versorgungsanstalt als auch in der Pfarrkirche ihre Kunst ausüben. Das Benefizium zum
hl. Geist hatte bis zum Jahr 1828 Bestand; als letzter Benefiziat war Adalbert Sax, Gym-
nasialprofessor in Feldkirch, tätig († 1831)9. Die Kapelle war noch bis 1876 zugänglich10.
Über Rechte und Pflichten der Pfründner unterrichten uns nicht nur die Haus- und
Verpflegungsordnungen (Edition Nr. 19 und 20, S. 519–523)11, sondern darüber hinaus
auch die so genannten Reverse, welche die Frauen und Männer vor der Aufnahme in das
Haus vorzulegen und vor dem Stadtamann und dem Rat mit einem Eid zu beschwören
hatten. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert betrug die Aufnahmegebühr zwischen 100 und
300 fl., für Fremde sogar die hohe Summe von 500 fl.12. Pöthgewandt, eine Mindestaus-
stattung an Kleidung sowie ein wenig Hausrat mussten ebenfalls mit eingebracht werden.
Als Gegenleistung erhielten die Pfründnerinnen und Pfründner Unterkunft, Verpflegung
und eine einfache medizinische Versorgung im Bedarfsfall. Nach ihrem Ableben kam ihre
meist geringe Habe dem Spital zugute, sofern die Hausbewohner nicht ohnedies mittellos
waren. Verstieß eine Person wiederholt gegen die Statuten, so konnte das Anrecht auf den
Hospitalplatz verloren gehen13.
Obwohl vom Personal und den Insassen gefordert wurde, dass sie der jeweiligen
Ordnung nachleben sollten, kam es im Laufe der Jahrhunderte zu gravierenden Miss-
ständen. Neben Bränden14, Seuchenzügen und Kriegen mit ihren Auswirkungen führte
auch die Misswirtschaft einzelner Spitalpfleger zu gröberen Problemen. Im so genannten
Ernst-von-Felsenberg-Rezess von 1768 verlangte Maria Theresia eine wesentlich stren-
gere Aufsicht über die vorhandenen Kapitalien, Güter und Zinsen, zusätzlich eine de-
taillierte Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben, die Abschaffung von Geschenken
und das Verbot des Verkaufs von Getränken sowie Speisen. Der Spitalverwalter musste
allwöchentlich einer „Wirtschafts-Deputation“ Bericht über seine Tätigkeit abstatten und
unterlag einer genauen Kontrolle. Auch die Arbeit der Köchin, die das nunmehrige „regu-
lierte Essen“ für die Hausbewohner zuzubereiten hatte, wurde einer genauer Prüfung un-
terzogen. Gespart werden sollte nicht nur bei den Speisen, sondern auch bei der Ausgabe
des Weins, worüber sich die Spitaler vor allem in der Zeit der Napoleonischen Kriege
beschwerten15. Diesbezüglich klingt es beinahe als Hohn für die Hausbewohner, dass Dr.
Johann Rädlmayer, Arzt in Feldkirch 1661 bis 1678, im Rahmen einer Auseinanderset-
9 Somweber, Spital 435–437; Rapp, Generalvikariat 113–117; Wanner, Medizin 10.
10 Volaucnik, Heiliggeist-Spital 234; Ulmer–Getzner, Dompfarre 557f.
11 Vgl. auch Somweber, Spital 453–458 (Speiseordnung 1650).
12 Vgl. Leipold-Schneider, Bevölkerungsgeschichte 76f. Einige Hospitalbewohner zahlten sogar
Steuern, so z. B. im Jahr 1594 acht Personen, obwohl dies dem Text der „Gründungsurkunde“ eigentlich wider-
sprach.
13 Somweber, Spital 443–447; Wanner, Medizin 10; Amann, Armenfürsorge 20.
14 Ulmer–Getzner, Dompfarre 46.
15 Somweber, Spital 447–449; Egger, Ausgrenzen 33; Burmeister, Feldkirch 268; Wanner, Medizin
10, 12.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin