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der Allgemeinheit gefährlich werden konnten. Wenige Jahre später, 1784, kam es bereits
zum Verkauf der Räumlichkeiten, da die Bruderhaus- mit der Gebethausstiftung vereinigt
wurde und die „Bruderhäusler“ in das Bürgerspital umzogen17.
Als jüngste Versorgungseinrichtung gilt in der Laufener Stadtgeschichte das Bürger-
spital, das im Jahr 1618 durch bedeutende Spenden betuchter Bürger und Amtsträger
(Bürgermeister, Pflegsverwalter, Pfarrer) ins Leben gerufen werden konnte. Acht verarmte
Bürger durften sich gegen eine geringe Summe einkaufen, erhielten im Haus Unterkunft
und Kost, aber auch Pflege im Krankheitsfall. Waren die Aufnahmekapazitäten in dieser
Anstalt durch die schon etablierten Einrichtungen deutlich beschränkt, so fand sich den-
noch ein dreigeschossiges Gebäude (durch die Hochwasserregulierung Anfang der 1920er
Jahre musste das Niveau angehoben werden, so dass aus dem ursprünglichen Erdgeschoss
das Souterrain wurde)18, das den städtischen Raum und einen Teil des Stadtbildes ge-
gen die Salzach hin im Nordwesten der Stadt (Gordian-Guckh-Straße 1) zu prägen ver-
mochte19. Das Haus verfügte im Erdgeschoss über drei Kammern, eine große Stube, eine
Heiz- und eine Kochküche sowie eine kleine Kammer, im Obergeschoss befanden sich
fünf weitere Kammern. Um das Zusammenleben von Köchin, Magd und den Insassen zu
regeln, verfasste Pfarrer Matthäus Schroff noch im Gründungsjahr die edierten Statuten
(Edition Nr. 27, S. 555f.)20. Von zwölf Paragraphen normierten – wenig verwunderlich
– sieben das Verhalten als Christ und als Mitmensch im alltäglichen Zusammenleben.
Neben der bürgerlichen Abstammung wurden auch das Bekenntnis zur katholischen Re-
ligion und die tatsächliche Bedürftigkeit überprüft. Wer sein Vermögen verprasst und
verschwendet hatte, fand dabei keine Gnade vor den Argusaugen der weltlichen und
geistlichen Obrigkeit, „damit den ubelhausenten burgern die thür zum ü[b]el hausen nit
gar so liederlich geöffnet werde“ (Paragraph 2)21. Die täglichen Gebetsdienste sahen ne-
ben der Messe in der Pfarrkirche und den Gebeten zu Mittag überdies allabendlich fünf
Vater Unser, fünf Ave Maria und das Glaubensbekenntnis vor, sofern die Hausbewohner
nicht strafweise auf ihr Essen verzichten musstenn. Weiters erwartete der Rat von der
Insassen Friedfertigkeit und Gottesfürchtigkeit, außerdem durften sie sich gegen ire ge-
ordnete obherrn […] nit aufleünen (Paragraph 6). Dankbarkeit gegenüber dem Dies- und
Jenseits waren weitere wesentliche Punkte, ebenso die vorgeschriebenen Beichttermine.
Wer Aufnahme ins Bürgerspital begehrte, hatte böthgewandt, schüssl und thäller mitzu-
bringen. Beim Tod fiel die verbliebene Habe und ein eventuelles kleines Vermögen an
die Spitalverwaltung, doch dafür sorgte sich die Leitung zumindest um ein würdiges
Begräbnis (Paragraph 8). Um die frühneuzeitliche Ordnung zu demonstrieren und den
Normen zum Durchbruch zu verhelfen, waren die Essenszeiten penibel geregelt (welcher
spitaller zu solcher zeit nit erscheint, deme solle man weiter zugeben nichts schuldig sein) und
die Hausöffnungs- sowie Ausgangszeiten genau festgelegt (Paragraphen 10 und 11). Da
allerdings nach der abendlichen Sperre die beiden Hausschlüssel „tauglichen Spitalern“
seitens des Hospitalmeisters überantwortet wurden, dürften Missbrauch und Bestechung
bereits vorprogrammiert und die Türen damit mehr oder minder durchlässig gewesen
sein. Der letzte Punkt bestimmte noch die Aufstellung eines Opferstocks für Almosen
17 Paur, Laufen 148; Roth, Soziale Einrichtungen 501.
18 Schmidbauer, Schlosser-Huber-Haus 77.
19 Ebd. 65f.; Weiss, Unglück 197.
20 StA Laufen Az 8625, Laufen, sine dato [1618]; Roth, Soziale Einrichtungen 502.
21 Gentner, Stadt Laufen 231.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin