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Das Leben der Insassen wurde wie auch an an-
deren Orten mittels einer Spitalordnung gere-
gelt. Ob tatsächlich im Jahr 1700 eine derartige
Norm erlassen wurde, lässt sich gegenwärtig
nicht eindeutig klären, da dieses Instrument
in der Literatur Kardinal Graf Kollonitz zu-
geschrieben wird, obwohl er diese höchste
kirchliche Würde erst 27 Jahre später erwerben
konnte9. Unabhängig von dieser Beckmesserei
ähneln einander die in der Literatur auffindbare
Ordnung und jene im Archiv liegende10 in auf-
fälliger Weise. Zeitlich parallel zur Errichtung
der Klosteranlage ließ Kardinal Kollonitz auch
das Spital neu bauen und den Piaristen übergeben. Die Statuten des Jahres 1743 (Edition
Nr. 54, S. 662–665) legten fest, dass künftig zehn arme Untertanen oder Bedienstete –
je fünf weiblichen und fünf männlichen Geschlechts – im Haus wohnen durften und
als Gegengabe die tägliche heilige Messe zu besuchen, die intensiven Gebetsleistungen
(Rosenkranz, Litanei) abzudienen und an den Feiertagen zu beichten sowie zu kommuni-
zieren hatten. Friede, Sauberkeit und Versorgung im Krankheitsfall sollten gewährleistet
sein; außerdem bestimmte die Herrschaft eine Person aus der Gemeinschaft zum Hospi-
talmeister, um damit von Innen aus die Kontrolle über die Mitinsassen auszuüben11. Von
besonderer Bedeutung war neben dem gemeinsamen Zusammenleben noch die Identität
stiftende Kleidung von blauer Farbe, welche die Spitaler verpflichtend zu tragen hatten.
Diese stigmatisierte nicht nur, sondern führte der Öffentlichkeit auch die Wohltätigkeit
der Herrschaft vor Augen und die Zugehörigkeit zum herrschaftlichen Verband. Das Ge-
wand wurde alle zwei Jahre erneuert, um sicherzustellen, dass das feudale Ansehen keinen
Schaden nahm12.
Die 25 Punkte umfassende Ordnung widmete sich in immerhin 17 Paragraphen dem
eigentlichen Lebensinhalt der Hausbewohner – neben den den Tag gestaltenden Gebe-
ten – dem Essen. Die Abgabe der unterschiedlichen Nahrungsmittel erfolgte in Deputa-
ten und zwar sieben Pfund Brot am Samstag, 1½ lb. Fleisch von einem Fleischhacker in
Gleisdorf, zu den Feiertagen ½ lb. Kalbfleisch, ein weißer Laib Brot zu fünf Pfund, ein
Viertel Mehl und ein Seidel Wein. In der Fastenzeit sollten sie statt des Fleisches Fisch
essen. Weitere Deputate betrafen Essig, Salz (ein Fuder), Gewürze, Kraut und Rüben,
Schmalz und Speck, Leinöl, Waizen, „Haiden“, braunes Mehl, Feldbohnen, Hirse, Grieß,
Erbsen oder Linsen, zu Ostern eine Schweineschulter etc. Wichtig waren ferner noch
9 Arnfelser, Gleisdorf 75–78.
10 StLA, RuK, Sach 127 I, K. 400, fol. 160r–164v, 1743 April 17/1751 September 26 (Abschrift).
11 Ebd. Punkte 1–4.
12 Ebd. Punkt 5; Weiss, Hund 192; Hausmann, Kirche Mariä Reinigung 248.
Abb. 22: Gleisdorf; Spital für „verarmte Untertanen“ 1745
errichtet von der Herrschaft Freiberg, ab 1826 Amtshaus
der Herrschaft Freiberg. An der Westfassade das Wappen
des Stifters und Kardinals Sigismund Graf von Kollonitsch
(Foto: Alfred Stefan Weiß, 2013).
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin