Page - 8 - in Österreichs Staatsidee
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Finsterniß und Kälte ihren wahren Sinn und Inhalt erhalten,
ebenso auch die Freiheit dort nicht existiren könne, wo es zum
Gegensätze leine Knechtschaft giebt und daß die Sklaverei der
Einen die natürliche Basis und Vorbedingung der Freiheit der
Anderen sei. Der Werth und die Würde des Menschen haben,
Gott Lob, in unserer Zeit bereits eine so allgemeine Anerkennung
gefunden, daß es z. B. in einer gebildeten Gesellschaft Niemand
wagen würde in tdv8i behaupten zu wollen, ein Mensch könne als
bloße Sache oder als Eigenthum eines Anderen geboren werden;
verenden ja bereits jene Horden von Weißen, die solche Lehren
praktisch mit dem Schwerte in der Hand vertheibigen, ebm jetzt
im Süden der Vereinigten Staaten Amerikas. Die Wahrheit, daß
alle Menschen, weß Stammes, Glaubens und Standes sie
auch fein mögen, Söhne eines Vaters im Himmel sind, gehört
unter die edelsten Grundsätze und Merkmale des christlichen Glau-
bens; und wiewohl sie dadurch, daß in den Schooß der Kirche
hochmüthige, räuberische und eroberungssüchtige Böller, die ihren
heidnischen Gelüsten nicht entsagen wollten, aufgenommen wurden,
für den weitaus größeren Theil des Christenthums mehr als ein
Jahrtausend hindurch im Dunkeln blieb, wurde sie doch nie zur
Gänze unterdrückt und vernichtet, fondern strebte, nicht felten auch
von verschiedenen ketzerischen Sekten unterstützt, wie ein lebens-
fähiger Keim nach immer mächtigerer Entwickelung, bis ihr enblich
die franz. Philosophie des XVIII Jahrhunderte« zum vollständi-
gen Siege verhalf. Die allgemeine Geltung der Wahrheit, daß
es im gefammten Menschengeschlechts keinen anderen wesentlichen
Unterschied gebe, als den höheren oder niederen Grad der Geistes-
entwickelung desselben, daß ferner ein Mensch nie und nimmer
nur bloßes Hab und Gut eines Anderen sein könne, sondern daß
er stets ein Individuum bleibe, welches von Gott mit Vernunft
und freiem Willen begabt und für all fein Thun und Wollen
moralisch verantwortlich ist —die Geltung dieser Wahrheit erlangte
in den letzten Jahren auch im Osten Europas durch die Vefveinng
der russischen Leibeigenen und die Einführung anderer großen
Neformen im Geiste der modernen Cultur in das Larenreich ewe
wichtige Sanktion, fo daß man ohne allen Zweifel v«rau«s«gen
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book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918