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dieselbe zu wahren und zu schuhen, hat uum ein derartiges Be-
nehmen allenfalls nicht für Unrecht und Gewaltthstigkeit ansehen
müssen: aber in unseren Tagen, wo alle Nationen, selbst die ver-
nachlilssigtesten und apathischesten, erwachen, sobald sie der Zauber-
ftab der modernen Cultur berührt, ist die Mißhandlung und
Töbtung einer Nationalität nicht weniger eine himmelschreiende
Sünde, als das Quälen und Morden irgend eines vernünftigen
Geschöpfes Gottes.
Oder haben etwa die Böller kein angebor'nes Recht zu ihrer
Selbsterhaltung? Sie haben ja die Verpflichtung, sich zu bllden,
d. h. den ihnen inwohnenden göttlichen Funken zu wecken und
anzufachen, und von dieser Berpfiichwng kann sie Niemand auf
der Welt dispenfiren. Bildung des Geistes aber ohne Bildung
der Sprache läßt sich schlechterdings nicht denken, und die Ver-
edelung der Sprache ist überall die Grundbedingung eines edleren
geistigen Lebens. Da nun ferner die Verpflichtung zugleich Mutter
der Berechtigung zu fein pflegt (sieh' VllttsI, vroit äs» MNZ,
rrslimmairog §. 3), und da uns die Pflicht obliegt, unsere
Sprache zu bilden, von welcher Pflicht uns Niemand zu entbinden
vermag, so besitzen wir auch das Recht, dies zu thun und Nie-
mand soll sich dem widersetzen oder unserem Beginnen Hindernisse
in den Weg legen. Die Erhaltung und Fortbildung der Natio-
nalität ist ein Gebot und Gesetz der Sittlichkeit, dem durch kein
positives Gebot derogirt werden kann.
Es fragt sich nun, ob der Confiict zwischen Recht und Ver-
pflichtung, der sich im privaten und dem Staatsrechte wirklich
vorfindet, auch beim internationalen Rechte möglich sei? So hat
z. B. eine Physische Person das Recht und die Verpflichtung, ihr
eigenes Leben zu schützen und zu wahren, und doch wird ihr
manchmal auferlegt, in den Kampf zu gehen und dort das Leben
fllr das Baterland, für das allgemeine Beste zu opfern; kann
man auf eine analoge Art verlangen, es solle sich eine ganze Na-
tion ihres Lebens entäußern und für andere Böller aufopfern?
Diese Frage mögen die Böller selbst nach dem Grundsätze: „Was
Du dir selbst nicht wünschest, thue Anderen nicht an" entscheiden;
ihre Antwort wird gewiß nicht zweifelhaft sein. Ls hat sich bis-
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918