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Art solche Angelegenheiten der gefetzgebenden Gewalt in ihr Be-
reich ziehen möchten, die einzig und allein dem Landtage zustehen;
dazu einige Proceßformalitäten, die in unser Jahrhundert nicht
passen, und andere Verordnungen und Unordnungen mehr, von
denen man wenigstens sagen kann, »bu8U8 non toliit U8UN. Ab-
gesehen jedoch von diesen Unzukömmlichkeiten, die man künftighin
wird leicht vermeiden können, ist der Kern der ungarischen Institu-
tionen in sich selbst so gesund und lebenskräftig, daß man ihn
meiner Ansicht nach auch in anderen Ländern Pflegen sollte; er
birgt in sich einen lebensfrischen Keim der wahren Landesauto-
nomle, ohne die weder die bürgerliche noch politische Freiheit lange
andauern kann und dazu auch eine unendliche Reform- und Ver-
besserungsfähigteit, ohne die alle menschlichen Institutionen welken
und fallen müssen. Vor allem hat sich aber die Institution der
Eomitatsümter und Versammlungen, auf der Grundlage der Wähl-
barkeit, als ein wahres Palladium von autonomen Einrichtungen
erwiesen. Daraus läßt sich nun wohl die Liebe aller Ungarn
(nicht bloß Magyaren) zu ihrer eonLtitutio avitica und ihre unge-
wöhnliche Energie bei ihrer Wahrung und Vertheidigung begreifen
und erklären. Ein Ungar kann unter der Bureaukratie nicht leben
und glücklich sein; in dieser Beziehung unterscheidet er sich unter
allen Nationen des europäischen Continents am meisten z. B. von
den Franzosen (auf daß ich kein einheimisches Beispiel wähte), die
da ohne Rath und Hilfe von Beamten und der Polizei kaum
mehr gehen und stehen können. Ist nun das Beispiel der Ungarn
nicht Wünschenswerther und nachahmungswürdiger, als das der
Franzosen?
Ich hftbe dieses Beispiel hauptsächlich in der Absicht gewählt,
damit ich die schwierigste Frage bei der Durchführung von föde-
ralistischen Principien beleuchte und theilweise erleichtere: die Frage
nämlich von dem Wirkungstreise und inneren Organismus der
Landesregierungen und Parlamente. Den Staatsmännern, die sich
mit ihr beschäftigen, sollte vor Allem das als Grundsatz gelten:
Was man nach euerem eigenen Gefühle und Urtheile den Ungarn
nicht abschlagen kann, das gewähret auch den übrigen Ländern, und
wenn ihr gewillt seid, ihnen die politische Landesverwaltung, das
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book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918