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Einleitung14
der Alltag sowjetischer Besatzungsangehöriger in Österreich? Wie versuchte
die Armeeführung, die mangelnde Disziplin in den Truppen in den Griff zu
bekommen? Welche Strafen standen auf Vergewaltigungen, Plünderungen,
Desertion oder andere Vergehen? Welche Konsequenzen zogen Liebesbezie-
hungen mit „westlichen“ Frauen nach sich? Was bedeutete es, als „Russen-
kind“ in Österreich aufzuwachsen?
In diesem Zusammenhang ist von Interesse, wie die Wahrnehmungen und
Erfahrungen retrospektiv erinnert wurden. Spielten Medien wie Armeezeitun-
gen und Filme eine Rolle? Welche Topoi und Tabus finden sich in Oral-Histo-
ry-Interviews und sogenannten Ego-Dokumenten wie Tagebüchern? Kommt
die selbst auferlegte Zensur von Veteranenverbänden dabei zum Tragen? Und
wie änderte sich die institutionalisierte Erinnerung im Laufe der Jahrzehnte?
Nach wie vor unklar sind bislang auch viele Aspekte der Makroebene
des sowjetischen Besatzungsapparates, der die Klammer für den Einsatz in
Österreich bildete. Wie war die Tätigkeit der Besatzungssoldaten organisiert?
Welche Aufgaben oblagen den Kommandanturen und wie wurden sie rea-
lisiert? Wie effizient setzte der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission
(SČSK) für Österreich seine Aufgaben in die Tat um? Wie gestaltete sich das
Verhältnis zu den Inneren Truppen des Volkskommissariats für innere Ange-
legenheiten (NKVD), denen bis 1946 unter anderem die Kontrolle über die in
Österreich stationierten Soldaten oblag? Wie waren der sowjetische Geheim-
dienst und das Wirtschaftsimperium personell verwoben? Wie reagierte die
sowjetische Besatzungsmacht auf das Feindbild Marshallplan?
***
Das sind einige der Fragen, denen die vorliegende Arbeit nachgehen möchte.
Der erste Teil widmet sich der Makroebene „Kriegsende und Besatzungsap-
parat“, die den Rahmen für die Erfahrungen sowjetischer Militärangehöriger
in Österreich bildet. In diesem Zusammenhang werden etwa der Wandel des
Feindbildes in der Propaganda für die Rote Armee, die schließlich verratene
Kooperation zwischen den Sowjets und der militärischen Widerstandsgruppe
um Major Carl Szokoll, der militärische Vormarsch der Roten Armee in Ost-
österreich und die Bildung der provisorischen Regierung unter Karl Renner
beleuchtet.
Bezüglich des Besatzungsapparates werden nicht nur seine Struktur und
Funktion dargestellt, sondern auch organisatorische und vor allem personelle
Probleme. So hatten die Militärkommandanten ebenso wie die Geheimdienst-
truppen mit disziplinären Problemen in den eigenen Reihen zu kämpfen und
mussten selbst ermahnt werden, den „Versuchungen des Lebens“ zu wider-
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918