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Verhandlungen zu den Besatzungszonen
Osten sowie Nordosten Deutschlands als Besatzungszonen erhalten sollten.
Gegen diesen Plan trat Franklin D. Roosevelt auf, der für einen Zonentausch
zwischen den USA und Großbritannien plädierte.33
Den britischen Vorschlag lehnten aber sowohl die amerikanische als auch
die sowjetische Seite ab. Die USA, weil das War Department zu diesem Zeit-
punkt noch überhaupt keine Besatzungsaufgaben in Österreich übernehmen
wollte, die UdSSR, weil sie wusste, dass sie ein echtes Mitspracherecht in Ös-
terreich nur dann besitzen würde, wenn sie auch in Form von Besatzungs-
truppen präsent wäre.34
Parallel dazu arbeitete die Vorošilov-Kommission intensiv an der sowjeti-
schen Position in dieser Frage. Sie legte einen ersten, auf den 4. Februar 1944
datierten Entwurf über die Kapitulationsbedingungen für Deutschland vor,
der keine sowjetische Beteiligung an der militärischen Besetzung Österreichs
vorsah. Die Demarkationslinie sollte „zwischen den Streitkräften der UdSSR
einerseits und den Streitkräften des Vereinigten Königreiches und der USA
andererseits“ entlang der „westlichen, südwestlichen und südlichen Gren-
ze der Tschechoslowakei bis Bratislava, dann von dieser Stadt aus stromab-
wärts der Donau bis Silistra und weiter nach Osten entlang der rumänisch-
bulgarischen Grenze bis zur Schwarzmeerküste“ verlaufen.35 Eine derartige
Demarkationslinie hätte eine militärische Präsenz der UdSSR nicht nur in
Österreich, sondern auch im Westteil Ungarns ausgeschlossen.36
In einer zweiten Entwurfsvariante vom 8. Februar 1944 erfolgte erstmals
die Nennung des Begriffes „Besatzungszonen“, deren Grenzen jedoch nur bis
zum Schnittpunkt der bayrischen und tschechoslowakischen Grenze definiert
wurden. Die Frage der Besatzungszonen in Österreich blieb weiterhin offen.37
In der dritten von der Kommission erarbeiteten Entwurfsvariante der
„Kapitulationsbedingungen für Deutschland“, die Molotov am 12. Februar
1944 Stalin übermittelte, kam erstmals Österreich selbst zur Sprache, das „ge-
meinsam von den Truppen der UdSSR, des Vereinigten Königreiches und der
USA besetzt“ werden sollte.38 Molotov bezeichnete den britischen Entwurf
33 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 64f.; Europäische Beratende Kommission, S. XVIII.
34 Manfried Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich ’45. Wien 1995, S. 15f.
35 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 62, d. 836, S. 90–95, Entwurf der Kapitulationsbedingungen für Deutschland,
4.2.1944. Abgedruckt in: Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 311–316, hier:
S. 314.
36 Filitov, Sowjetische Planungen zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 31.
37 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 62, d. 836, S. 84–89, Entwurf der Kapitulationsbedingungen für Deutschland,
8.2.1944. Abgedruckt in: Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 316–321, hier:
S. 314; Filitov, Sowjetische Planungen zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 31.
38 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 62, d. 836, S. 13–19, Entwurf der Kapitulationsbedingungen für Deutschland,
12.2.1944. Abgedruckt in: Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 322–327,
hier: S. 326; Filitov, Sowjetische Planungen zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 31.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918