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I. Vorgeschichte: Sowjetische
Österreichplanung42
vom 15. Jänner 1944 in seinem Begleitschreiben als „inakzeptabel“. Österreich
solle zu einer „gemeinsamen Zone“ werden.39 Stalin erklärte sich mit dieser
Variante einverstanden.40
Am selben Tag verfasste Molotov ein Telegramm an Botschafter Fedor Gu-
sev in London, worin er die sowjetischen „Erwägungen“ hinsichtlich der „Be-
gründung und Verteidigung unseres Waffenstillstandsentwurfs“ erläuterte.
Besonders wies er darauf hin, dass jede Zone nur von Truppen derjenigen
der drei Mächte zu besetzen wäre, „der die jeweilige Zone zugeordnet ist“.
Die Briten hingegen würden auch die Truppenpräsenz anderer Alliierter in
jeder Zone erlauben. Eine Ausnahme von dieser Regel wären lediglich „die
Berlinzone und Österreich [...], die jeweils in gemeinsame Besatzungsgebiete
der Alliierten zu verwandeln sind“.41
Der erste Teil dieser Darlegung erscheint durchaus nachvollziehbar: Die
von britischer Seite vorgeschlagene Variante einer „gemischten Besatzung“
in allen Zonen barg die Gefahr einer unkontrollierbaren Kontaktaufnahme
zwischen sowjetischen und „westlichen“ Besatzungssoldaten. Dies hätte
mög licherweise den Weg zu dem geebnet, was im sowjetischen Jargon als
„ideologische Diversion“ charakterisiert wurde. Wie sich später herausstel-
len sollte, brachte der Kontakt zwischen sowjetischen und westlichen Besat-
zungsangehörigen sowie den Mitarbeitern der Alliierten Kommission tat-
sächlich das Risiko eines „Kulturschocks“ mit sich.42 Hingegen ist schwerer
zu verstehen, weswegen Berlin und ganz Österreich eine Ausnahme von
dieser Regel bilden sollten. In beiden Fällen wurde bald das Prinzip der ter-
ritorialen Abgrenzung zwischen den einzelnen Besatzungskontingenten ins
Spiel gebracht.43
Botschafter Fedor Gusev brachte am 18. Februar 1944, während der bri-
tische Plan in den Londoner Beratungen immer noch zur Diskussion stand,
den sowjetischen Vorschlag der Kapitulationsbedingungen in der EAC ein,
welcher einerseits die Trennung des österreichischen Zonenabkommens von
einem deutschen verlangte, andererseits eine Drei-Mächte-Kontrolle für Ös-
terreich vorsah.44 Die britische Seite, welche die USA für einen Verbleib in
39 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 62, d. 836, S. 13, Schreiben Molotovs an Stalin, 12.2.1944. Abgedruckt in:
Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 322.
40 Ebd.
41 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 62, d. 836, S. 20–23, Telegramm Molotovs an Gusev, 12.2.1944. Abgedruckt
in: Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 329–331, hier: S. 330.
42 Siehe dazu auch das Kapitel B.I. „Ideologie, Disziplin, Strafverfolgung“ in diesem Band.
43 Filitov, Sowjetische Pläne zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 32.
44 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 65f.; John Mair, Austria, in: John Mair – Michael Bal-
four (Hg.), Four Power Control in Germany and Austria, 1945–1946. Survey of International Affairs
1939–1946. London 1956, S. 269–378, hier: S. 284.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918