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Verhandlungen zu den Besatzungszonen
amerikanische und die britische Delegation in der EAC Dokumente, die jeweils
die Besetzung Österreichs durch alle drei Alliierten vorsahen.53
Am selben Tag übermittelte Vorošilov Stalin das Ergebnis der sowjeti-
schen Planungsarbeit zu Deutschland und Österreich. Bezüglich Österreich
verwies Vorošilov nochmals darauf, die Bevölkerungszahl sowie die Ver-
teilung der Industrieanlagen und nicht das Flächenkriterium wären der von
seiner Kommission ausgearbeiteten Zonenabgrenzung zugrunde gelegt wor-
den, und er betonte die sich daraus ergebenden Vorteile für die sowjetische
Seite: „Ein großer Teil der Industriebetriebe befindet sich in der sowjetischen
Zone (deren Bevölkerung ein Drittel der Gesamtbevölkerung Österreichs
umfasst); außerdem ist die sowjetische Zone durch direkte Eisenbahnverbin-
dungen mit Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Ungarn verbunden.“54
Gusev ließ den sowjetischen Vorschlag zum Zonenplan – ein Entwurf des
Protokolls, worin das Prinzip der gemeinsamen Besatzung Österreichs in den
Grenzen vom 31. Dezember 1937 durch sowjetische, amerikanische und bri-
tische Truppen ohne Nennung der Zonengrenzen verankert wurde – am 29.
Juni 1944 in der EAC zirkulieren.55
Einen Vorstoß zur Beschleunigung der Arbeit in der EAC unternahm die
britische Delegation am 19. August 1944. Deren Vertreter in der Europäischen
Beratenden Kommission, Sir William Strang, ließ seinerseits ein britisches
Memorandum über den Kontrollmechanismus für Österreich zirkulieren.
Zwei Tage später unterbreitete Strang den britischen Plan zur Teilung Öster-
reichs in Besatzungszonen. Auf Grundlage der „Gaugrenzen“ sollten Ober-
und Niederdonau zur sowjetischen Zone, die übrigen Gebiete zur britischen
Zone gehören. Für Wien, ebenfalls in den Grenzen des „Gaus“ (also beträcht-
lich größer als vor 1938), sah er eine gemeinsame Besetzung durch alle drei
Alliierten vor. Zur sowjetischen Zone sollte folglich sogar ein größeres Gebiet
gehören, als es sich die sowjetische Seite selbst vorgestellt hatte, da sich die
USA anfangs nicht an der Besatzung Österreichs beteiligen und bloß „symbo-
lische Kontingente“ entsenden wollten.56
53 Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 29.
54 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 15, d. 150, S. 442, Vorošilov an Stalin, 12.6.1944. Abgedruckt in: Laufer – Ky-
nin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 406f., hier: S. 407.
55 Filitov, Sowjetische Pläne zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 34; Beleckij, Sovetskij Sojuz i Avstri-
ja, S. 104. Roščin gibt hingegen den 1. Juli 1944 als Datum an. Vgl. A. A. Roščin, Poslevoennoe ure-
gulirovanie v Evrope. Moskau 1984, S. 86. Gemäß AVP RF, F. 0425, op. 1, p. 7, d. 41, S. 1, Entwurf
des Protokolls der Vereinbarung über die Besetzung Österreichs, 29.6.1944, ist der 1. Juli 1944 je-
doch auszuschließen. Ursache für die Verwechslung könnte die am 1. Juli 1944 von Strang ver-
schickte Zusammenfassung sein. Vgl. Europäische Beratende Kommission, S. 1280. Herrn Univ.-
Prof. Dr. Aleksej Filitov, Moskau, sei für diesen Hinweis herzlich gedankt.
56 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 29; Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 70, 403. Vgl. dazu
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918