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I. Vorgeschichte: Sowjetische
Österreichplanung58
über Österreich enthalten war.95 In ihrer am 26. Oktober 1944 in London
überreichten Antwort an die britische Regierung betonte die sowjetische Seite
zwar die Notwendigkeit, unverzüglich mit der Ausbildung von Personal für
den Kontrollmechanismus in Deutschland zu beginnen; in der „Frage Öster-
reichs“ nahm sie jedoch ausschließlich auf die Dringlichkeit der Konzipie-
rung des Zonenabkommens für Österreich Bezug.96
Die Forderung nach sowjetischem Besatzungspersonal in Österreich war
längst auch intern gestellt worden. In seinem Schreiben vom 5. Juli 1944 an
den stellvertretenden Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Vla-
dimir Dekanozov, hatte der Leiter der 3. Europäischen Abteilung des NKID,
Andrej Smirnov, auf die Notwendigkeit verwiesen, im NKID eine „bestimm-
te Personalreserve“ zu schaffen, „die nach entsprechender Ausbildung zu
einem passenden Zeitpunkt zur Gruppe der Militäradministration bei dem
Kommandeur der Streitkräfte der Roten Armee in den besetzten Gebieten
Deutschlands, Österreichs und Ungarns abgeordnet werden könnte“.97 Eini-
ge der namentlich angeführten Mitarbeiter sollten später tatsächlich leitende
Positionen im sowjetischen Besatzungsapparat in Österreich übernehmen.
Am 24. Jänner 1945 legten die Briten, nachdem sie erfolglos den von sow-
jetischer Seite versprochenen Vorschlag urgiert hatten, den Entwurf eines
Kontrollabkommens für Österreich vor, der eine modifizierte Fassung des
im November des Vorjahres unterzeichneten entsprechenden Vertrages über
Deutschland darstellte. Den Kern des Kontrollabkommens sollte die Einset-
zung einer Alliierten Kommission für Österreich bilden. Ihre Kompetenzen,
ihre Gliederung und Funktionsweise waren jedoch noch Gegenstand weite-
rer Verhandlungen. Botschafter Gusev kritisierte bereits bei der nächsten Sit-
zung am 29. Jänner insbesondere das Fehlen einer eigenen Reparationsabtei-
lung im vorgeschlagenen Kontrollapparat. Er lehnte den britischen Einwand,
die Reparationsfrage könnte doch auch von der geplanten Wirtschaftsabtei-
lung bearbeitet werden, als nicht zielführend ab. Dies war der Beginn jener
langwierigen Diskussion, ob und in welcher Form Österreich Reparationen
leisten müsse.98 In der Diskussion über den britischen Entwurf kam zudem
die Einsetzung einer österreichischen Regierung zur Sprache. Botschafter
René Massigli, der französische Vertreter bei der EAC, schlug vor, die alliier-
te Kontrolle nur bis zur Anerkennung einer frei gewählten Regierung durch
95 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 31, 36f.
96 AVP RF, F. 06, op. 6, p. 26, d. 281, S. 19–21, Sowjetisches Memorandum, 25.10.1944. Abgedruckt in:
Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 493f.
97 AVP RF, F. 082, op. 28, p. 177, d. 1, S. 24–27, Andrej Smirnov an Vladimir Dekanozov, 5.7.1944. Ab-
gedruckt in: Laufer – Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage, Bd. 1, S. 409–412, hier: S. 409f.
98 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 39f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918