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II. Kriegsende in
Österreich78
Andere Plakate porträtierten das „faschistische Untier“ („fašistskoe
čudovišče“) als Krake,44 wobei das russische Wort „čudovišče“ neben „Un-
tier“ und „Scheusal“ auch „Ungeheuer“ und „Unmensch“ bedeutet. Die sati-
rische Darstellung von Hitler als geiferndem Kettenhund mit blutigen Pfoten
symbolisiert, dass der Anführer der „gemeinen Meute“ im Osten schwer ver-
wundet wurde („Tjažko ranen na Vostoke – Glavnyj cerber podloj svory“).
Die Dämonisierung des Feindes als Mittel zur Stärkung des Widerstandswil-
lens wandelte sich im Verlauf des Krieges zu siegessicherem Spott.45 Doch
hielt sich das Bild der „Bestie“ bis ins Frühjahr 1945, als sie „in ihrem Bau“
– Berlin – „ausgeräuchert“ wurde.
Gleichzeitig betonte allerdings Stalin in seiner Rede zum Tag der Roten
Armee am 23. Februar 1942, dass die Rote Armee keinen Rassenhass gegen
andere Völker hege. Auch in seiner Rede zum 25. Jahrestag der Oktoberre-
volution am 6. November 1942 hob der Kremlchef den Unterschied zwischen
der „Hitlerclique“ und dem deutschen Volk hervor. Die Sowjetunion habe
nicht die Aufgabe, Deutschland zu vernichten, sondern die „deutsch-faschis-
tischen Eindringlinge“.46 Im Gegensatz zur NS-Propaganda gab es seitens der
offiziellen sowjetischen Kriegspropaganda nie einen rassistischen Aufruf zur
Vernichtung des gegnerischen Volkes.
Im Sommer 1942 veröffentlichten die „Pravda“ und danach die Armeezei-
tung „Krasnaja Zvezda“ Michail A. Šolochovs Artikel „Die Wissenschaft vom
Hass“, der unter dem Eindruck des Berichts eines aus deutscher Kriegsgefan-
genschaft entflohenen Soldaten geschrieben worden war.47 Ihm folgten zahl-
reiche Gedichte und Artikel, die den Hass gegen die Deutschen propagier-
ten. Das berühmte Gedicht des sowjetischen „Soldatendichters“ Aleksej A.
Surkov „Ich hasse“, das am 12. August 1942 in der Armeezeitung „Krasnaja
Zvezda“ erschien, schloss mit den Worten: „Und mit diesen meinen Händen
– möchte ich jeden von ihnen erwürgen.“48 Besonders bekannt war das Ge-
dicht „Töte ihn!“ des mehrfachen Stalinpreisträgers Konstantin M. Simonov,
das in der „Pravda“ veröffentlicht wurde. Simonov verschränkte darin emo-
tionalen Patriotismus mit dem Hassmotiv und dem Aufruf zur Vergeltung,
das sich zum zentralen Thema in Agitation und Propaganda entwickelt hatte:
44 Siehe dazu das entsprechende Plakat in: ebd., [S. 24].
45 Hans-Jörg Czech – Nikola Doll (Hg.), Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945.
Berlin 2007, S. 240.
46 Carola Tischler, Die Vereinfachungen des Genossen Ėrenburg. Eine Endkriegs- und eine Nach-
kriegskontroverse, in: Elke Scherstjanoi (Hg.), Rotarmisten schreiben aus Deutschland. Briefe von
der Front (1945) und historische Analysen. Texte und Materialien zur Zeitgeschichte. Bd. 14. Mün-
chen 2004, S. 326–339, hier: S. 329.
47 Gorjajewa, „Wenn morgen Krieg ist …“, S. 438.
48 Zit. nach: Werth, Russland im Krieg, S. 296.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918