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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 101
2.1 Vorbereitung und Durchführung der „Operation Radetzky“
Ferdinand Käs wurde den Sowjets bereits im Vorfeld angekündigt: Zwei
Vertreter des politischen Organs der österreichischen Widerstandsbewegung
O5,141 des „provisorischen Österreichischen Nationalkomitees“ (POEN),142
Ernst Lemberger und Fritz Molden, sprachen im Jänner und im März 1945
bei sowjetischen Repräsentanten in Paris vor. Die sowjetische Seite zeigte sich
interessiert, aber nicht sonderlich zuvorkommend. Insbesondere kritisierte
sie, dass eine Kontaktaufnahme mit den Westmächten bereits viel früher er-
folgt sei.143 Stalin wurde wenig später über die Unterredung Lembergers mit
Generalmajor Ivan A. Susloparov, dem Leiter der sowjetischen Militärmissi-
on beim Alliierten Hauptquartier (SHAEF) in Paris, persönlich unterrichtet.
Dabei kam der Verdacht zur Sprache, es handle sich bei der POEN um eine
Schöpfung des amerikanischen und britischen Geheimdienstes.144
141 1944 fasste Hans Becker zahlreiche Widerstandsgruppen in Österreich in einem einzigen Block zu-
sammen, der als „O5“ bekannt wurde. Die O5 verstand sich als „Zusammenfassung der im pro-
visorischen österreichischen Nationalkomitee POEN vertretenen österreichischen Widerstands-
gruppen“ aller Parteirichtungen. Sie stellte sich die Aufgabe, zum Sturz der nationalsozialistischen
Herrschaft und zum Wiederaufbau Österreichs auf demokratischer Basis beizutragen. Der Tarn-
name ergab sich aus „Oe“, der Abkürzung für „Österreich“, wobei anstelle von „e“ als fünfter
Buchstabe des Alphabets die Zahl „5“ gesetzt wurde. Ende 1944 nahm die O5 Kontakt mit den
westlichen Alliierten in Frankreich auf, nachdem erste Fühlungsnahmen mindestens ein Jahr zuvor
stattgefunden hatten. Vgl. Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 187–192; Aichinger, Sowjetische
Österreichpolitik, S. 160–162; Oliver Rathkolb, Raoul Bumballa, ein politischer Nonkonformist 1945.
Fallstudie zur Funktion der O5 im Widerstand und in der Parteienrestauration, in: Rudolf G. Ardelt
– Wolfgang J. A. Huber – Anton Staudinger (Hg.), Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift
für Erika Weinzierl. Zum 60. Geburtstag. Wien – Salzburg 1985, S. 295–317.
142 Das im Dezember 1944 gegründete POEN wurde von seinen Mitgliedern als Kern einer zukünfti-
gen provisorischen österreichischen Regierung betrachtet. Im Jänner 1945 informierte Allen Welsh
Dulles, der Beauftragte des OSS in der amerikanischen Nachrichtenzentrale in Bern, Fritz Molden
offiziell, dass die USA nunmehr das POEN und die O5 de facto als ihre österreichischen Partner
anerkennen wollten. Molden wurde daraufhin zum Verbindungsoffizier des österreichischen Wi-
derstandes im Rang eines Oberstleutnants der US-Armee im alliierten Hauptquartier in Caserta
ernannt. Vgl. Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 241–243.
143 Fritz Molden, Fepolinski & Waschlapski. Auf dem berstenden Stern. Wien – München – Zürich
1976, S. 352–354; Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 160; Rauchensteiner, Der Sonderfall,
S. 66; Fritz Molden, Podiumsdiskussion „Widerstand in Österreich 1938–1945“, in: Stefan Karner –
Karl Duffek (Hg.), Widerstand in Österreich 1938–1945. Die Beiträge der Parlaments-Enquete 2005.
Graz – Wien 2007, S. 265–270.
144 RGASPI, F. 495, op. 74, d. 25, S. 7f., G. M. Dimitrov an Stalin, 6.4.1945. Derselbe Bericht findet sich in:
RGASPI, F. 17, op. 128, d. 716, S. 37f., G. M. Dimitrov an Stalin, 6.4.1945. Abgedruckt in: Wolfgang
Mueller et al., Sowjetische Politik in Österreich, Dok. Nr. 6; Vgl. Stefan Karner – Peter Ruggentha-
ler, Stalin und Österreich. Sowjetische Österreich-Politik 1938 bis 1953, in: Jahrbuch für Historische
Kommunismusforschung 2005. Berlin 2005, S. 102–141, hier: S. 141.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918