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II. Kriegsende in
Österreich104
Die Sowjets stimmten einem Zusammenwirken beim geplanten Aufstand
zu – und das zu einer Zeit, als sich Moskau bereits längst für Karl Renner
entschieden hatte. Sie verlangten von Szokoll eine bewaffnete Erhebung, in
deren Verlauf die Schlüsselstellen in Wien von der Widerstandsbewegung
besetzt werden sollten.155 Eine Einbindung der O5 forderte das sowjetische
Oberkommando dabei nicht. Die Widerstandsorganisation O5 dürfte nicht
einmal zur Sprache gekommen sein.156
Glagolevs Stab vereinbarte mit den Widerstandskämpfern eine Funkver-
bindung „zwecks Erhalt von Angaben über die Bereitschaft zum Aufstand“
und eigene Erkennungsmerkmale: Der Aufstand hatte zu beginnen, wenn
drei Flugzeuge über Wien flogen, am Tag Kurven zogen und eine Serie ro-
ter Leuchtkugeln abfeuerten bzw. in der Nacht an Fallschirmen befestigte
Leuchtraketen abwarfen und rote Leuchtkugeln abfeuerten. Als Antwort,
dass man das sowjetische Signal empfangen hätte und der Aufstand begin-
nen würde, sollte Szokoll grüne Raketen abfeuern. Als Erkennungssignal
wurde sowohl für Militärangehörige als auch für Zivilisten das mündliche
Losungswort „Moskau“ festgelegt. Zivilisten sollten um den linken Arm ein
weißes Band tragen, Militärangehörige, die auf sowjetische Truppen stießen,
hatten mit einer Hand ihre Waffe hochzuhalten und mit der anderen Hand
ein weißes Tuch. Von den Aufständischen eingenommene Gebäude und Stel-
lungen waren mit weißen Flaggen zu kennzeichnen.157
Mit diesen Informationen ausgestattet, traten die beiden Parlamentäre –
zunächst als Rotarmisten verkleidet – in den späten Abendstunden des 3.
April die Rückfahrt nach Wien an. Die Unterhandlungen hatten bis in die
Morgenstunden des 3. April gedauert, waren am späten Vormittag wieder
aufgenommen, am Nachmittag weitergeführt und am Abend abgeschlossen
worden. Gegen Mitternacht gelangten Käs und Reif nach Sooß zu jenem Stab,
155 CAMO, F. 243, op. 2912, d. 146, S. 118–120, Glagolev über den in Wien vorbereiteten Aufstand.
Angeblich hatte Szokoll den Sowjets zunächst nur vorgeschlagen, sie auf Schleichwegen nach Wien
führen zu lassen, was den Möglichkeiten der Widerstandsgruppe entsprochen hätte. Vgl. Rauchen-
steiner, Der Krieg in Österreich, S. 165. Auf der anderen Seite hielt Glagolev in seinem Bericht fest,
die „Parlamentäre haben berichtet, dass in Wien ein Aufstand gegen die Deutschen vorbereitet
wird“.
156 Ebd. Rathkolbs These, die Sowjets hätten eine Mitwirkung der O5 nicht verlangt, kann nunmehr
durch die vorliegenden sowjetischen Dokumente verifiziert werden. Vgl. Rathkolb, Raoul Bumbal-
la, S. 301. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch das Verhörprotokoll von Carl Szokoll,
wonach er auf die Frage der „Smerš“, ob er Bumballa mit dem Befehl des sowjetischen Oberkom-
mandos bekannt gemacht hätte, dies lediglich bestätigte. Hätte es von sowjetischer Seite den Auf-
trag zur Einbindung der O5 gegeben, hätte es Szokoll an dieser Stelle wohl erwähnen müssen. CA
FSB RF, K-109717, t. 3, S. 1–6, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 24.4.1945. Abgedruckt in: Karner
– Duffek, Widerstand in Österreich, S. 201–204.
157 CAMO, F. 243, op. 2912, d. 146, S. 118–120, Glagolev über den in Wien vorbereiteten Aufstand.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918