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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 105
der sie am 2. April nach Hochwolkersdorf weitergeleitet hatte.158 Jener Ge-
neralleutnant, dem Käs am 2. April seine Mission dargelegt hatte, trug ihm
angeblich auf Befehl des sowjetischen Hauptquartiers auf, in Wien über die
Kontaktaufnahme Renners mit dem sowjetischen Oberkommando zu berich-
ten: „Dr. Karl Renner, der ehemalige erste Staatskanzler der Österreichischen
Republik, befindet sich am Weg in das sowjetische Hauptquartier in Hoch-
wolkersdorf“, führte Szokoll in seinen Erinnerungen an.159 Am 4. April trafen
Käs und Reif in Wien ein, wo sie noch am Vormittag Szokoll über die getrof-
fenen Vereinbarungen unterrichteten.160
2.1.2 „Operation Radetzky“
Als am 5. April tatsächlich, wie in Hochwolkers-
dorf vereinbart, drei sowjetische Flugzeuge über
Wien kreisten und rote Leuchtkugeln abschossen,
rief Szokoll die „Operation Radetzky“ aus. Zeit-
gleich kamen sowjetische Flugblätter in Umlauf,
worin sowohl die Wiener Bevölkerung als auch
österreichische Wehrmachtsangehörige zum ak-
tiven Kampf gegen die Wehrmacht aufgefordert
wurden.161 Der Aufstand sollte am 5. April um 24
Uhr beginnen.
Im Detail sah der mit der Roten Armee verein-
barte Plan folgende Schritte vor: Sobald die sow-
jetischen Truppen die Stadtgrenze erreicht hätten,
sollten die Kampfgruppen des Widerstandes ge-
meinsam mit „österreichischen“ Wehrmachtsein-
heiten die Brücken über die Donau und über den
Donaukanal einnehmen und ihre Sprengung ver-
hindern, die öffentlichen Gebäude besetzen, das
Kommunikationswesen in ihre Gewalt bringen
und Waffenlager in Besitz nehmen. Österreichi-
sche Soldaten sollten außerdem alles daransetzen,
158 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 314f.
159 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 315f. Vgl. Ferdinand Käs, Wien im Schicksalsjahr 1945. Wien 1965, S.
14.
160 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 322f.
161 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 113f.; Želtov, Političeskaja rabota. Siehe dazu auch das
Kapitel A.II.1.4.1 „‚An die Bevölkerung Österreichs‘ und ‚Bürger von Wien‘“ in diesem Band.
Abb. 9: Major Carl Szokoll
(1915–2004) leitete die militä-
rische Widerstandsgruppe im
Wehrkreiskommando XVII in
Wien, die im Frühjahr 1945 im
Rahmen der „Operation Ra-
detzky“ Kontakt mit der Roten
Armee aufnahm.
(Quelle: DÖW)
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918