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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 117
nicht nur die militärische Gruppe unter Szokoll, sondern vor allem auch die
vom Zentralkomitee geplante Ermordung von SS-Oberstgruppenführer Sepp
Dietrich, dem Oberbefehlshaber der deutschen 6. SS-Panzerarmee.222
Nur wenig später sprach Bumballa bei Dmitrij T. Šepilov, einem Mitglied
des Militärrates der 4. Garde-Armee der 3. Ukrainischen Front, vor und teil-
te ihm die genaue Zusammensetzung des Führungsausschusses der O5 mit.
Weder Šepilov noch Generaloberst Aleksej S. Želtov, Politoffizier und Mit-
glied des Militärrates des 3. Ukrainischen Front, dürften jedoch über Bum-
balla oder Szokoll unterrichtet gewesen sein. Jedenfalls berichtete Želtov dem
stellvertretenden Volkskommissar für Äußeres, Vladimir G. Dekanozov: „Es
erschien Dr. jur. Raoul Burnau [sic!], er stellte sich als Vorsitzender des Wi-
derstandskomitees Österreichs vor und erklärte, dass ihn viele kennen. Alter
– 49 Jahre, parteilos, von 1938 bis 1942 in Haft. Burnau [sic!] erklärte, dass das
Widerstandszentrum aus sieben Personen bestand: zwei Sozialdemokraten,
zwei Katholiken [gemeint: Christlichsoziale], ein Kommunist, ein General
und ein Parteiloser. Burnau [sic!] bot seine Dienste bei der Organisation der
Polizei zum Schutz von Wien, zur Wiedererrichtung der Wasserleitungen,
zur Wiederherstellung des Transports und der Unternehmen an. Er erklärte,
dass er viele zu dieser Arbeit heranziehen könnte, weil er viele Leute kennt.
Burnau [sic!] erklärte auch, dass er den Eisenbahnverkehr auf den von den
Deutschen besetzten Gebieten Österreichs zum Stoppen bringen kann, er er-
klärte, dass er Major Szokoll kennt, dass Letztgenannter angeblich [sic!] der
letzte Anführer der militärischen Sektion war, Soldaten vereinigte und viel
für die Widerstandsbewegung tat.“223
Abschließend lieferte Želtov eine positive Charakterisierung von Bum-
balla: „Obwohl die politische Person Burnau [sic!] unklar bleibt, ist er nach
Meinung des Mitglieds des Militärrates der 4. Garde-Armee, Oberst Šepilov,
der sich mit ihm traf, ein solider, kultureller und gebildeter Mensch, der Ver-
trauen einflößt.“224 Für Želtov dürfte diese Angelegenheit allerdings nicht
vordringlich gewesen sein, da sein mit 13. April 1945 datierter Bericht erst
222 AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 321, S. 16–18, Bericht von Piterskij über das Gespräch mit Vertretern
des Zentralkomitees der „österreichischen Widerstandsbewegung“, 10.4.1945. Hinweise auf die ge-
plante Ermordung Dietrichs finden sich auch in: RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des
stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA, B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für
Internationale Information des ZK VKP(b), G. M. Dimitrov, über die österreichische Widerstands-
bewegung O5, 28.4.1945. Dietrich wurde nach Kriegsende von den Amerikanern zu lebenslängli-
cher Haft verurteilt, aus der er schließlich 1959 entlassen wurde. Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in
Österreich, S. 396.
223 AVP RF, F. (0)66, op. 25, p. 118a, d. 8, S. 1, Bericht von Želtov an Dekanozov über Bumballa,
13.4.1945. Vgl. Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 83.
224 Ebd.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918