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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 127
2.4.2 Kontakte zum französischen Geheimdienst
Im Spätsommer 1945 stand Szokoll in Kontakt mit dem französischen Ge-
heimdienst und stellte diesem Informationen über österreichische National-
sozialisten zur Verfügung. Zunächst traf er sich mehrmals mit einem franzö-
sischen Leutnant namens Frondvillie, der ihn mit Hauptmann Pelisee, einem
Redakteur der französischen Militärzeitung, bekannt machte. Dieser schlug
ihm vor, ein Buch über den österreichischen Widerstand zu verfassen und
befragte ihn über einzelne Nationalsozialisten und die politische Situation
in Tirol. Szokoll versprach, die gewünschten Informationen in Erfahrung zu
bringen. Über Pelisee lernte Szokoll in der Wohnung von Heinz Netsch den
französischen Hauptmann Malter kennen. Malter bot Szokoll Anfang Sep-
tember an, er könne ihm helfen, nach Tirol zu gelangen, da er als Mitarbeiter
des französischen Geheimdienstes bei Bedarf die notwendigen Dokumente
bereitstellen könnte.275
2.4.3. Zweite Verhaftung durch die „Smerš“ und Freispruch
Am 5. September ließ die „Smerš“ Carl Szokoll neuerlich verhaften.276 Einen
der Mitarbeiter, Hauptmann Tarasenko,277 kannte Szokoll von der vorher-
gegangenen Untersuchung bereits namentlich.278 Die Verhöre, die teilweise
erst nach Mitternacht stattfanden, führte Generalmajor Rozanov, Assistent
des Leiters der Hauptverwaltung für Spionageabwehr (GUKR) der „Smerš“,
mithilfe von Dolmetscherinnen. In dieser Phase interessierte sich die sow-
jetische Spionageabwehr insbesondere für Szokolls Flucht aus dem Kriegs-
gefangenenlager, die Unterredungen mit Raoul Bumballa während der
Sommermonate,279 den erwähnten Brief an Renner (der, was Szokoll nicht ge-
wusst haben dürfte, dem Geheimdienst auf Deutsch und in russischer Über-
275 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 31–41, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 17.9.1945.
276 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 1, Beschluss der UKR „Smerš“ der Südlichen Gruppe der Streitkräfte
über die Einweisung von Carl Szokoll in ein Speziallager, 5.9.1945. Abgedruckt in: Karner – Duffek,
Widerstand in Österreich, S. 204.
277 Hauptmann (auf Russisch „Kapitan“) Tarasenko war Leiter der 3. Gruppe der 4. Abteilung der
Verwaltung für Gegenspionage der „Smerš“ der 3. Ukrainischen Front bzw. der Südlichen Gruppe
der Streitkräfte. Vgl. CA FSB RF, K-109717, t. 3, S. 6, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 24.4.1945; CA
FSB RF, K-109717, t. 1, S. 49, Beschluss der UKR „Smerš“ der Südlichen Gruppe der Streitkräfte über
die Einstellung der Untersuchung und Befreiung von Carl Szokoll aus der Haft, 17.10.1945.
278 „Eine Woche später war ich wieder verhaftet. Mein Vernehmungsoffizier, derselbe Kapitan Ta-
raschenko [sic!] umarmte mich, und dann ging es wieder los wie in der ‚Fledermaus‘. Schnürsenkel.
Hosenträger, Gürtel usw.“ Zit. nach: Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 386.
279 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 6–14, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 11.9.1945; CA FSB RF,
K-109717, t. 1, S. 23–26, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 13.9.1945.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918