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II. Kriegsende in
Österreich128
setzung vorlag)280 sowie seine Kontakte zum französischen Geheimdienst.281
Per Dekret der Verwaltung für Spionageabwehr (UKR) der „Smerš“ vom 17.
Oktober 1945 wurde schließlich die Untersuchung gegen Szokoll eingestellt
und seine Befreiung aus sowjetischer Haft veranlasst. Als Begründung für
diesen Schritt wurde angegeben: Im Zuge der Untersuchung habe sich ge-
zeigt, dass Szokoll der Leiter des militärischen Widerstandes gewesen und
nach seiner Flucht von einem Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes
aufgesucht worden wäre, dass ihm aber „keine feindliche Tätigkeit gegen die
Sowjetunion“ nachgewiesen werden konnte.282
Szokoll wurde daraufhin der österreichischen Justiz übergeben und von
dieser dem Wiener Landesgericht zur Voruntersuchung überstellt, da er an-
geblich im Einvernehmen mit den westlichen Alliierten die provisorische
Regierung hätte stürzen wollen. Sechs Monate später wurde die Voruntersu-
chung eingestellt und Szokoll kam endgültig frei.283
Die Zwickmühle, in die er geraten war, beschrieb Szokoll folgendermaßen:
„Den Verdacht der Russen, dass ich ein amerikanischer Spion sei, was sie ja
schon in Purkersdorf geäußert hatten, konnte ich nicht voll entkräften. Die
Amerikaner wieder waren überzeugt, dass ich während meines ersten Ver-
schwindens nicht in russischer Haft, sondern in Moskau gewesen und dort
zum ‚Politruk‘ ausgebildet worden wäre, und die Österreicher … Es dauerte
sechs Monate, bis ich endlich entlassen und die Voruntersuchung eingestellt
wurde. Endlich war ich frei. Frei – Haftentschädigung jedoch wurde mir
nicht gewährt.“284 Den Kontakt zum französischen Geheimdienst ließ Szokoll
hier jedoch unerwähnt.
2.5 Mangelnde Anerkennung
Die militärische Widerstandsbewegung unter Carl Szokoll hatte sich im Sinne
der Moskauer Deklaration von 1943 zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Be-
freiung Österreichs zu leisten. Entgegen aller Tradition militärischen Gehor-
sams mussten sie ihren Fahneneid brechen und sich auch über den Grund-
satz hinwegsetzen, der Soldat habe sich nicht mit Politik zu befassen. Ihr Ziel
bestand – unter Einsatz ihres Lebens – in der Rettung Wiens und in der Wie-
280 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 23f., Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 13.9.1945; CA FSB RF,
K-109717, t. 4, S. 99–101, Schreiben von Carl Szokoll an Karl Renner, 30.7.1945.
281 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 31–41, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 17.9.1945.
282 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 48f., Beschluss der UKR „Smerš“ der Südlichen Gruppe der Streitkräfte
über die Einstellung der Untersuchung und Befreiung von Carl Szokoll aus der Haft, 17.10.1945.
283 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 386.
284 Ebd.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918