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II. Kriegsende in
Österreich134
gedrungen war. Von Osten näherte sich die 46. Armee (2. Ukrainische Front)
der Stadt.301 Gleichzeitig mit den militärischen Operationen handelten die Ar-
meeführer im Auftrag Stalins auch politisch: In Aufrufen an die Bevölkerung
Österreichs und Wiens sowie in der „Erklärung der Sowjetregierung über
Österreich“ vom 9. April wurden einerseits die Ziele der Sowjetunion gegen-
über Österreich dargelegt, andererseits die Bürger zur aktiven Unterstützung
der Roten Armee aufgefordert.302
3.1.1 Der 13. April 1945
Der Umfassungsaktion sowjetischer Truppen konnten die in Wien stationier-
ten deutschen Verteidiger – ein buntes Konglomerat von Einheiten, vor al-
lem der 6. SS-Panzerarmee, mit Resten schlecht ausgerüsteter Verbände des
Volkssturms, der Hitlerjugend und Ersatzabteilungen – letztlich keine ad-
äquaten Reserven entgegensetzen. Trotz Hitlers Befehl, die Stadt unbedingt
zu halten, zogen sich die Truppen der Wehrmacht und der SS relativ rasch
in das Gebiet nördlich des Donaukanals und schließlich nördlich der Donau
zurück. Am 9. April fiel die Gürtellinie, die Kämpfe um die inneren Bezirke
zogen sich jedoch bis zum 13. April hin. Als an diesem Tag die deutschen
Truppen die letzten Brückenköpfe am Südende der Reichsbrücke und der
Floridsdorfer Brücke aufgeben mussten, war die Schlacht um Wien beendet.
Zwar hatte die Rote Armee die deutschen Truppen nicht einschließen kön-
nen, doch verzeichnete sie als besonderen Erfolg, dass sie mit der Reichsbrü-
cke die erste – und einzige – Donaubrücke in Österreich unversehrt erobert
hatte.303 Fjodor I. Minin, der gemeinsam mit drei anderen Rotarmisten die
Sprengkabel zerschnitten und den Sprengstoff ins Wasser geworfen hatte, be-
301 Ebd., S. 150; Beleckij, Sovetskij Sojuz i Avstrija, S. 63; Štemenko, General’nyj štab v gody vojny,
S. 361f. Gerhard Artl gibt den 5. April als jenen Tag an, an dem im Süden Wiens der sowjetische
Hauptangriff auf das eigentliche Stadtgebiet begann. Mit der Morgendämmerung des 6. April er-
folgte demnach der zweite sowjetische Generalangriff. Vgl. Gerhard Artl, Militärische Aspekte des
Kriegsendes in Niederösterreich und in Südmähren, in: Ernst Bezemek – Willibald Rosner (Hg.),
Niederösterreich 1945 – Südmähren 1945. Die Vorträge des vierzehnten Symposions des Nieder-
österreichischen Instituts für Landeskunde zugleich Verbindendes und Trennendes an der Grenze
V. Hollabrunn, 4.–7. Juli 1994. Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut
für Landeskunde. Wien 1996, S. 49–78, hier: S. 62f. Gemäß der sowjetischen Literatur begann der
Angriff am 5. April um 8 Uhr früh südlich und östlich der Stadt. Der unmittelbare Sturm begann
am 6. April. Vgl. etwa: Dubrowin, Der 30. Jahrestag der Befreiung Österreichs, S. 5f.
302 Siehe dazu auch das Kapitel A.II.1.4 „‚Jedmöglichste Hilfe‘: Aufrufe an die Bevölkerung“ in diesem
Band.
303 Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 150; Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 111.
Vgl. zu den Kämpfen in Wien auch: CAMO, F. 243, op. 2900, d. 2058a, S. 83–99, Schilderung der
Kämpfe der 3. Ukrainischen Front während des „Kampfes um Wien“, nach dem 15.4.1945. Abge-
druckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 7.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918