Page - 137 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Image of the Page - 137 -
Text of the Page - 137 -
3. Militärischer Vormarsch und Regierungsbildung 137
die sie in ihren Nachkriegseinflussbereich einbezog, auch selbst militärisch
zu besetzen. Das Hauptziel hieß jetzt nicht mehr Österreich, sondern Tsche-
choslowakei. Aus diesen Faktoren ergab sich die Forderung nach einer neuen
Festlegung der Aufgaben der 2. und 3. Ukrainischen Front, was durch den
Befehl der Stavka des Oberkommandos am 13. April erfolgte. Sichtbarster
Ausdruck für die neue Schwerpunktsetzung war die Rückgabe der 6. Garde-
Panzerarmee, die nach dem Beginn der sowjetischen Gegenoffensive am Plat-
tensee der 3. Ukrainischen Front zugeführt worden war, an die 2. Ukrainische
Front.312 Die Stoßrichtung der 2. Ukrainischen Front, deren Hauptziel fortan
in der Befreiung der Tschechoslowakei lag, wurde nach Norden umgelenkt,
nachdem das östliche Weinviertel mit den wertvollen Ölfeldern von Zisters-
dorf313 erobert worden war.314
Der rechte Flügel der 3. Ukrainischen Front setzte südlich der Donau
seinen Vormarsch nach Westen fort und nahm am 15. April St. Pölten ein.
Entlang des Flusses Traisen kam die sowjetische Offensive vorerst zum Still-
stand.315 Die sowjetische Front, die vom Waldviertel bis in die Oststeiermark
verlief, blieb somit vom 15. April bis zum 8. Mai stehen.316
3.2 Sowjetischer Vormarsch in der Steiermark
Über Ostern 1945 waren sowjetische Einheiten der 26., 27. und 57. Armee
der 3. Ukrainischen Front zügig in die Oststeiermark bis nach Kirchberg a. d.
Raab vorgestoßen, wo der Vormarsch der Roten Armee nur 30 Kilometer vor
Graz am Ostermontag, dem 2. April 1945, vorläufig zum Stillstand gekom-
men war.317 Die „Reichsschutzstellung“ des Raabtales war hier, wie in vielen
anderen Abschnitten auch, weitgehend unbesetzt geblieben und hatte den
sowjetischen Vormarsch nicht aufhalten können.318 Nun hatten laut Befehl
312 CAMO, F. 132, op. 2642, d. 39, S. 82, Befehl der Stavka an die Oberkommandierenden der 2. und
3. Ukrainischen Front über das weitere Vorgehen in Österreich, 13.4.1945. Abgedruckt in: Institut
Voennoj Istorii, Krasnaja Armija v stranach Central’noj Evropy, S. 627f. Auf Deutsch abgedruckt in:
Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 492. Vgl. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 206.
313 RGASPI, F. 17, op. 121, d. 395, S. 1–3, Bericht über die Erdölindustrie in Österreich, 5.4.1945; am
13.4.1945 von Lavrentij Berija an Georgij Malenkov übermittelt.
314 Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 206f.
315 Institut Voennoj Istorii, Krasnaja Armija v stranach Central’noj Evropy, S. 635f.
316 Portisch, Am Anfang war das Ende, S. 335.
317 Stefan Karner, Die Steiermark im Dritten Reich 1938–1945. 3., durchgesehene Aufl. Graz 1994, S.
404–416; Petschnigg, Die „sowjetische“ Steiermark, S. 524.
318 Felix Schneider, Der Krieg in Österreich, Wettlauf der Armeen und Kriegsende, in: Stefan Karner –
Gottfried Stangler (Hg.), „Österreich ist frei!“ Der Österreichische Staatsvertrag 1955. Beitragsband
zur Ausstellung auf Schloss Schallaburg 2005. Unter Mitarbeit von Peter Fritz und Walter M. Iber.
Horn – Wien 2005, S. 39–44, hier: S. 40.
back to the
book Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955"
Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918