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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
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linepoche. Seine Karriere begann beim NKVD, wo er 1938 stellvertretender
Leiter der Hauptverwaltung für Staatssicherheit und bis Mai 1939 Leiter der
Auslandsabteilung war. 1940 bis Juni 1941 war er sowjetischer Botschafter in
Deutschland. Er gehörte nicht nur zu jenem erlauchten Kreis von Beratern,
die regelmäßig im Politbüro berichten mussten, sondern bespitzelte im Auf-
trag Berijas auch Molotov. Nach Kriegsende in Ungnade gefallen, entließ ihn
das MID 1947. Danach war er kurzfristig stellvertretender Leiter der „Haupt-
verwaltung des sowjetischen Eigentums im Ausland“ (GUSIMZ). Nach Sta-
lins Tod verurteilte ihn das Oberste Gericht der UdSSR Ende 1953 mit Berija
zum Tod durch Erschießen.26 Zum Sowjetischen Teil der Alliierten Kommis-
sion bestand eine direkte Verbindung, weswegen häufig Mitarbeiter in bei-
den Institutionen gleichzeitig tätig waren.27
2.2 Der Politische Berater für Österreich
Eine Schlüsselposition bei der Ausarbeitung der politisch-diplomatischen
Strategie kam dabei dem „Politischen Berater“ zu, welcher der ranghöchste
Vertreter des Volkskommissariats bzw. Ministeriums für auswärtige Ange-
legenheiten im Besatzungsapparat Österreichs war.28 Ursprünglich beabsich-
tigte die 3. Europäische Abteilung, „ihren“ Mann in Österreich mit möglichst
großer Macht ausstatten zu lassen: Der Politberater sollte demnach dem Mili-
tärkommissar nicht unterstellt, sondern de facto mit der politischen Gesamt-
leitung der Besatzungspolitik betraut werden.29 Allerdings konnte sich der
NKID mit diesem Vorhaben nicht durchsetzen. Gemäß der am 4. Juli 1945
bestätigten „Verordnung über den Sowjetischen Teil der Alliierten Kommis-
sion für Österreich“ war die Position des Politischen Beraters ausdrücklich
„beim sowjetischen Militärkommissar“ angesiedelt. Demnach fiel dem Polit-
berater nicht nur die Aufgabe zu, Vorschläge und Schlussfolgerungen „zu
allen Fragen politischen Charakters, darunter zu allen außenpolitischen Fra-
gen, beim sowjetischen Militärkommissar“ auszuarbeiten, sondern auch „in
26 Harald Knoll – Peter Ruggenthaler, Biographische Skizzen zur sowjetischen Besatzungszone in Ös-
terreich 1945–1955. Eine Auswahl, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx – Alexander Tschubarjan
(Hg.), Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945–1955. Krasnaja Armija v Avstrii.
Sovetskaja okkupacija 1945–1955. Dokumenty. Graz – Wien – München 2005, S. 898–939, hier: S.
907; Vladislav Zubok – Constantine Pleshakov, Inside the Kremlin’s Cold War. From Stalin to Khru-
shchev. Cambridge – London 1996, S. 146.
27 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 573.
28 Ein Überblick über die Politischen Berater für Österreich und ihre Stellvertreter findet sich in Tabel-
le 2 im Anhang dieses Bandes.
29 Aleksej M. Filitov, V kommissijach Narkomindela …, in: O. Ržeščevskij et al. (Hg.), Vtoraja mirovaja
vojna: Aktual’nye problemy. Moskau 1995, S. 54–71, hier: S. 56f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918