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2. Die diplomatische Ebene 165
Abstimmung mit dem Militärkommissar“ Informationen an die sowjetische
Regierung über die Lage in Österreich vorzulegen.30 Der erste Politberater,
Dekanozov, wies seinen Nachfolger Evgenij D. Kiselev eigens darauf hin,
dass er den Anweisungen Marschall Konevs zu folgen habe.31
Der Einfluss des jeweiligen Politberaters als zwischenbehördliche Instanz
ist dennoch nicht zu unterschätzen: Zwar war er als Organ der SČSK dem
Militär- (ab Oktober 1946: Hoch-)Kommissar unterstellt, doch unterstand
er in seiner Funktion als politischer Vertreter der UdSSR in Österreich le-
diglich dem Volkskommissariat bzw. Ministerium für auswärtige Angele-
genheiten.32 Ihm kam dabei die Rolle eines „Puffers“ zwischen Diplomaten,
Armeeangehörigen und Organen des NKVD zu. Außerdem stellte der Politi-
sche Berater gemeinsam mit seinem Stellvertreter gerade in der ersten Nach-
kriegszeit die direkte Verbindung zwischen den sowjetischen Organen und
den österreichischen Verwaltungsstrukturen dar. Seine analytischen Berich-
te und Vorschläge zur politischen Vorgehensweise bildeten eine wichtige
Grundlage für die Entscheidungsprozesse Moskaus, wobei viel von seinem
fachlichen Geschick und seinen persönlichen Qualitäten abhing. Gleichzeitig
kam ihm eine geheime Kontrollfunktion zu: NKID/MID und NKVD/MVD
erhielten vom Politberater laufend Informationen über die Tätigkeit der Mi-
litär- bzw. Hochkommissare in Österreich. Zu jedem einzelnen Mitarbeiter
der SČSK in Österreich führte der NKVD/MVD ein regelmäßig ergänztes
Geheimdossier.33
Als Politberater und dessen Stellvertreter installierte man von Anfang an
höchstrangige Politiker: für Deutschland Andrej Ja. Vyšinskij und für Öster-
reich Vladimir G. Dekanozov, beide stellvertretende Volkskommissare für
auswärtige Angelegenheiten.34 Dekanozov, den der NKID im Februar 1945
zum Koordinator der Österreichpolitik ernannt hatte, wurde per Politbüro-
beschluss vom 7. April 1945 als „Politischer Berater für Österreich beim Kom-
30 AP RF, F. 3, op. 64, d. 10, S. 18–20, Instruktion über die Tätigkeit der Alliierten Kommission für
Österreich, 4.7.1945. Der Text der Instruktion ist erstmals abgedruckt in: Knoll – Stelzl-Marx, Der
Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S. 194–196. Die Instruktion wurde per Beschluss des
Rates der Volkskommissare bestätigt. Vgl. AVP RF, F. 066, op. 25, p. 119, d. 15, S. 51–55, Beschluss
Nr. 1553-355s des Rates der Volkskommissare, Über die Bildung des Sowjetischen Teils der Alliier-
ten Kommission für Österreich, 4.7.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die
Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 63.
31 AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 321, S. 36, Dekanozov an Kiselev, 15.7.1945; Mueller, Die sowjetische
Besatzung in Österreich, S. 56.
32 Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 56.
33 Pavlenko, Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie, S. 573f.
34 Wolfgang Mueller, Sowjetbesatzung, Nationale Front und der „friedliche Übergang zum Sozialis-
mus“: Fragmente sowjetischer Österreich-Planung 1945–1955, in: 200 Jahre Russisches Außenminis-
terium. MÖStA. 2003/50, S. 133–156, hier: S. 143f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918