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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion166
mandanten der 3. Ukrainischen Front“ eingesetzt. Gleichzeitig erfolgte die
Ernennung von Andrej A. Smirnov zu dessen Stellvertreter.35
Zur Unterstützung des Politberaters entsandte man per Ministerratsver-
ordnung vom 7. April 1945 eine 15 Personen umfassende „politische Grup-
pe“ nach Österreich, die unter anderem den Gesandten Michail E. Koptelov
und drei weitere Referenten aus der 3. Europäischen Abteilung, vier Mit-
arbeiter aus Dekanozovs Sekretariat und vier zuvor in Ungarn eingesetzte
Angestellte des „Volkskommissariats für Staatssicherheit“ (NKGB) umfass-
te.36 Die Bezahlung der „Gruppe Dekanozovs“ erfolgte in österreichischen
Schillingen.37 Die für Österreichfragen zuständige und eigens bei Tolbuchin
eingerichtete Politgruppe hatte „die Durchführung der Organisation und
der Kontrolle bei der Errichtung der Zivilverwaltung und der Wirtschaft zu
übernehmen“. Weiters bestand ihre Aufgabe darin, Maßnahmen zu treffen,
„die durch die Besetzung und bei der Wiedererrichtung eines unabhängigen
österreichischen Staates erforderlich werden“ würden.38 Die Mehrheit der Po-
litgruppe, darunter Dekanozov und Smirnov selbst, verließ Österreich noch
im Laufe des Aprils 1945. Koptelov übernahm kommissarisch die Funktion
des Politberaters.39 Mitte Mai befanden sich lediglich fünf Mitglieder der Po-
litgruppe in Österreich, die im Vorfeld der Gründung der SČSK jedoch aus 34
Personen bestehen sollte. Gerade im Bereich der Medienzensur und der Kon-
trolle über die politischen Parteien fehlte es an kompetenten Mitarbeitern.40
Anfang Juni 1945 ernannte der Ministerrat Evgenij D. Kiselev (1908–1963)
zum Politischen Berater41 und Michail E. Koptelov zu dessen Stellvertreter.
Die Bestellung Kiselevs zum Politberater in Wien segnete das Politbüro erst
35 RGASPI, F. 17. op. 3, d. 1052, S. 24, Politbürobeschluss des ZK der VKP(b) P 45 (108), Über die Be-
stellung Dekanozovs zum Politberater Tolbuchins und Smirnovs zu dessen Stellvertreter, 7.4.1945.
Vgl. Wagner, Die Besatzungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 71f.; Mueller, Sowjetbesatzung; Knoll –
Stelzl-Marx, Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission, S. 185.
36 Mueller, Sowjetbesatzung, S. 144.
37 GARF, F. 5446, op. 1, d. 248, S. 151, Verordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR Nr. 690,
Über die materielle Absicherung der Gruppe von nach Österreich reisenden NKID-Mitarbeitern,
gezeichnet V. Molotov und Ja. Čadaev, 7.4.1945.
38 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 20f., Bericht der 3. Europäischen Abteilung des NKID über
Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Roten Armee auf das Gebiet Österreichs
[spätestens am 2.4.1945]. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in
Österreich, Dok. Nr. 6. Siehe dazu auch das Kapitel A.II.1.3 „Befehle an die Truppen der 2. und 3.
Ukrainischen Front“ in diesem Band.
39 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 50, Schreiben von Koptelov an Lavrov, 11.5.1945. Vgl. Mueller,
Sowjetbesatzung, S. 150.
40 AVP RF, F. 66, op. 23, p. 24, d. 8, S. 53, Schreiben von Lavrov und Lun’kov an Dekanozov über die
Gruppe des Politberaters, 17.5.1945.
41 GARF, F. 5446, op. 1, d. 254, S. 20a, Verordnung des Rates der Volkskommissare 1296-298s, 5.6.1945;
Mueller, Sowjetbesatzung, S. 150.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918