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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion188
3.4 Abschied von Österreich:
Truppenabzug und Auflösung der Kommandanturen
Durch den am 15. Mai 1955 unterzeichneten österreichischen Staatsvertrag
wurde das Zweite Kontrollabkommen vom 28. Juni 1946 außer Kraft gesetzt.
Die Streitkräfte der Alliierten sowie die Mitglieder der Alliierten Kommission
für Österreich mussten folglich „innerhalb von neunzig Tagen, angefangen
vom Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages, soweit irgend möglich, spätes-
tens bis zum 31. Dezember 1955, aus Österreich zurückgezogen“ werden. Mit
der Hinterlegung der französischen Ratifizierungsurkunde in Moskau am 27.
Juli 1955 trat der Staatsvertrag in Kraft, wodurch alle Befugnisse des Alliier-
ten Rates in Österreich erloschen und die für den Truppenabzug vorgesehene
90-Tage-Frist zu laufen begann.137
40.000 Armeeangehörige,138 7600 Offiziersfamilien139 und 2400 Arbeiter
sowie Bedienstete des sowjetischen Besatzungsapparates verließen binnen
kurzer Zeit mitsamt dem Militärgerät Österreich. Der Abzug begann am 4.
August und wurde mit 19. September 1955 „in vollem Umfang“ abgeschlos-
sen. Die von den Truppen genutzten Siedlungen, Dienst- und Wohngebäude
sowie Grundstücke wurden, wie die sowjetische Seite betonte, „sorgfältig
adaptiert“ an die lokalen österreichischen Behörden übergeben.140 Allein die
Wohnfläche, die an Privatpersonen und öffentliche Organisationen zurückge-
geben wurde, betrug rund 290.000 Quadratmeter.141 Zugleich hatte die Sow-
Interalliierten Kommandantur über. Ihm folgte der US-Stadtkommandant, am 19. Oktober der bri-
tische und am 15. November 1945 der französische Stadtkommandant. Ab Jänner 1946 erfolgte der
von einer feierlichen Zeremonie mit Wachablöse begleitete Wechsel im Vorsitz der Stadtkomman-
dantur immer am Ersten eines jeden Monats.
137 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 546, 707f.; Hugo Portisch, Der lange Weg zur Freiheit. Österreich
II. Die Geschichte Österreichs vom 2. Weltkrieg bis zum Staatsvertrag. Bd. 4. München 1993, S. 401f.
138 Seit 1949 war die Truppenstärke kaum reduziert worden. Zu diesem Zeitpunkt umfassten die sow-
jetischen Besatzungstruppen rund 36.000 Mann, zudem 7000 Mann in der Luftwaffe mit 250 Bom-
bern und 120 Jagdflugzeugen sowie 1500 Mann in der sowjetischen Donauflottille. Zum Stand 1949
vgl. Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 254.
139 Insgesamt handelte es sich um 12.070 Familienmitglieder von Militärangehörigen. Vgl. RGANI,
F. 3, op. 8, d. 278, S. 116–122, hier: S. 122, Plan von Malinin über die Verlegung der sowjetischen
Truppen aus Österreich in die UdSSR, 29.7.1955. Siehe dazu auch das Kapitel B.III.1.3.1 „Offiziers-
gattinnen“ in diesem Band.
140 CAMO, F. 275, op. 140920s, d. 7, S. 145–156, Bericht des Oberkommandos der CGV an den Chef des
Generalstabes, Sokolovskij, und den Chef des Hauptstabes der Landstreitkräfte, Malandin, über
den Abzug der sowjetischen Truppen aus Österreich, 24.9.1955. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-
Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 188; Knoll – Stelzl-Marx, Der Sowjeti-
sche Teil der Alliierten Kommission, S. 213. Vgl. Barbara Stelzl-Marx, Der letzte sowjetische Besat-
zungssoldat. Gastkommentar in: Die Presse, 19.9.2005, S. 30.
141 CAMO, F. 275, op. 140920s, d. 7, S. 177, Verzeichnis von Dzabachidze und Kurbatov über die An-
zahl der an Österreich übergebenen Gebäude und Grundstücke, [September 1955].
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918