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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion192
Am 4. August 1955 begann der Abzug der sowjetischen Truppen aus Ös-
terreich. Ein Großteil der Kader des Stabes und der Politischen Verwaltung
befasste sich direkt in den Einheiten mit seiner Vorbereitung und Durchfüh-
rung. Schließlich handelte es sich dabei um ein gewaltiges logistisches Unter-
fangen, das in kürzester Zeit zu absolvieren war.151 Gleichzeitig bemühte sich
die Politverwaltung der Zentralen Gruppe der Streitkräfte, durch „weitge-
hende Tätigkeiten“ ein „freundschaftliches Verhältnis mit der örtlichen Be-
völkerung“ herzustellen, etwa durch Konzerte des Orchesters der CGV, Film-
vorführungen über die Sowjetunion und Kranzniederlegungen an den Grä-
bern gefallener Rotarmisten.152 Auch auf den Bahnhöfen wurden Abschieds-
feiern inszeniert, Ansprachen gehalten, letzte Fotos von Besatzungssoldaten
mit einheimischen Kindern geschossen und den abziehenden Offizieren und
Soldaten Blumen überreicht.153
Bereits am 19. September, eineinhalb Wochen vor der im genannten Be-
fehl Nr. 125 des Verteidigungsministeriums gesetzten Frist, verließ der letz-
te sowjetische Soldat Österreich. Der Truppenabzug war somit erfolgreich
abgeschlossen.154 Noch am selben Tag teilte Botschafter Ivan I. Il’ičev Bun-
deskanzler Julius Raab mit, dass die Räumung Österreichs von sowjetischen
Truppen beendet sei.155 Auf die „provokative Falschmeldung“ der deutschen
Presseagentur DPA, die am 21. September 1955 in mehreren österreichischen
Zeitungen erschien und wonach sich immer noch sowjetische Truppen in Ös-
terreich befinden und nun in die DDR verlegt werden würden, reagierte das
Präsidium des ZK der KPdSU empfindlich: In seiner Sitzung vom 24. Sep-
tember beauftragte es die Presseagentur TASS, diese Lüge zu dementieren.156
Parallel dazu erfolgte die Auflösung der Zentralen Gruppe der Streitkräfte,
zu der die Leitung der CGV, die 95. Garde-Schützendivision, die 13. mechani-
151 Das hohe Tempo des Truppenabzugs aus Österreich führte teilweise zu Schwierigkeiten bei der
Bereitstellung von Kasernen, Unterkünften für Offiziere und ihre Familien oder Maschinenparks.
Vgl. Evgenij Malašenko, V sovetskich vojskach v Avstrii. Manuskript. Moskau 2003, S. 11f.; OHI,
Evgenij Malašenko. Durchgeführt von Barbara Stelzl-Marx. Moskau 20.10.2003.
152 CAMO, F. 275, op. 140920s, d. 7, S. 2–6, Bericht der Politverwaltung der CGV über die Umsetzung
des Befehls vom 31. Juli 1955 zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Österreich, nach dem
19.9.1955. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok.
Nr. 187.
153 Vgl. dazu die Fotodokumentation der Politverwaltung der CGV in: CMVS, Vyvod Sovetskich vojsk
iz Avstrii. Avgust – sentjabr’ 1955 goda. Fotodokumenty.
154 CAMO, F. 275, op. 140920s, d. 7, S. 2–6, Bericht der Politverwaltung der CGV über die Umsetzung
des Befehls vom 31. Juli 1955 zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Österreich.
155 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 549.
156 RGANI, F. 3, op. 10, d. 180, S. 2, Beschluss Nr. 153/III des Präsidiums des ZK der KPdSU, Über die
Dementierung der Meldung der DPA über die Verlegung sowjetischer Truppen aus Österreich in
die DDR durch die TASS, 24.9.1955.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918