Page - 197 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Image of the Page - 197 -
Text of the Page - 197 -
4. Die Schattenebene: Geheimdienst und NKVD-Truppen 197
Beobachtungen: Die Organe der „Smerš“ nahmen Verhaftungen und Verhö-
re in der Operationszone der sowjetischen Truppen vor – so auch in Öster-
reich.170 Der stellvertretende Leiter der GUKR „Smerš“ des NKO, General-
major N. Rozanov, verhörte etwa den österreichischen Widerstandskämpfer
Carl Szokoll mehrmals persönlich.171
Darüber hinaus überwachten die Abwehroffiziere in den Streitkräften
auch die politische Haltung und Tätigkeit der sowjetischen Armeeangehöri-
gen und griffen bei antisowjetischen Aussagen ein.172 Gerade zu Kriegsende
musste sich die Gegenspionage vermehrt mit Desertionen, Übergriffen, Un-
fällen, Fällen von Trunkenheit und Selbstmordversuchen unter den eigenen
Soldaten auseinandersetzen.173 Hinzu kamen „Anwerbungsversuche seitens
der Geheimdienste der Alliierten unter Einsatz einheimischer Frauen“. Die
unterschiedlichen „Rückfälle“, so eine aktuelle Publikation über die „Smerš“,
hingen mit dem „moralisch-psychologischen Zustand einiger Offiziere und
Soldaten zusammen, die nach den schwierigen Zeiten des Krieges nun die
Atmosphäre eines relativ friedlichen Lebens“ erfuhren. Auf die „negativen
Erscheinungen in der Armee“ reagierte man durch „Überzeugungsarbeit und
Zwang“, aber auch mittels einer Reorganisation der Kader. Gerade Letzteres
erschwerte die Tätigkeit der militärischen Gegenspionage.174
Hinweise auf Vaterlandsverräter und gegnerische Spione übermittelten
unter anderem die sowjetischen Militärkommandanten: Diese waren ver-
pflichtet, „verbrecherische Elemente“ den nächstgelegenen Einheiten der
Gegenspionage „Smerš“ und der Militärstaatsanwaltschaft zu übergeben.175
Zur „erfolgreicheren Erfüllung ihrer Aufgaben“ kooperierten die NKVD-
Truppen in Österreich mit der Abteilung für Gegenspionage „Smerš“, den
sowjetischen Militärkommandanturen, Einheiten der Roten Armee und ört-
lichen Behörden.176
170 Petrov, Die Inneren Truppen des NKVD/MVD, S. 219; Christoforov, Zu den Dokumenten über die
österreichische Widerstandsbewegung, S. 199.
171 Siehe dazu auch das Kapitel A.II.2.4 „Szokolls Verhaftung und Verhöre“ in diesem Band.
172 Petrov, Die Inneren Truppen des NKVD/MVD, S. 219; Christoforov, Zu den Dokumenten über die
österreichische Widerstandsbewegung, S. 199.
173 Siehe dazu auch das Kapitel B.I.2 „‚Amoralische Erscheinungen‘, Straftaten und ihre Verfolgung“ in
diesem Band.
174 V. S. Christoforov et al., SMERŠ. Istoričeskie očerki i archivnye dokumenty. Moskau 2003, S. 97.
175 CAMO, F. 243, op. 2922, d. 49, S. 168–177, Provisorische Verordnung über die Militärkommandan-
turen auf dem von der 3. Ukrainischen Front eingenommenen Gebiet Österreichs, 20.4.1945. Ab-
gedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 59. Mit
abweichender Übersetzung in: Wagner, Die Besatzungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 139–146.
176 RGVA, F. 32905, op. 1, d. 166, S. 154–165, hier: S. 160, Tätigkeitsbericht von Zimin-Kovalev über die
Tätigkeit der NKVD-Truppen zum Schutz des Hinterlandes der CGV im Jänner und Februar 1946,
10.3.1946.
back to the
book Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955"
Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918