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4. Die Schattenebene: Geheimdienst und NKVD-Truppen 211
satz habe sich für den gesamten Mannschaftsstand „als wahre Gefechtsschu-
le“ erwiesen. Erstmals seit 1941 habe das gesamte Regiment an „schwierigen,
verschiedenartigen und lehrreichen Kämpfen“ teilgenommen, die sich „als
Überprüfung der organisatorischen und taktischen Fähigkeiten der Stäbe
und Offiziere, als Überprüfung der Kampfkraft des Mannschafts- und Unter-
offiziersstandes, der moralischen Festigkeit und der physischen Belastbarkeit
des gesamten Mannschaftsstandes erwiesen“ hätten. Das Regiment nehme
„aus der durchgeführten Operation“ ein „hohes Maß an Kampferfahrung zur
Erfüllung neuer Kampfaufträge“ mit, lautete sein Fazit.232
Mit dem Überschreiten der Grenze verlagerte sich ein Tätigkeitsschwer-
punkt auf die Bewachung zentraler österreichischer Einrichtungen und
Personen. Bereits am 12. April 1945 erhielt das 1. Schützenbataillon des 336.
Grenzregiments den Befehl, das Rathaus, die sowjetische Botschaft, das Bel-
vedere und die wichtigsten Hotels in Wien unter Bewachung zu nehmen.
Zur Erhaltung dieser Gebäude waren „alle Maßnahmen“ zu ergreifen.233 Karl
Renner hatte bereits seit dem 15. April einen Personenschutz.234 Auf die Be-
wachung der einzelnen Ministerien, der Staatskanzlei am Ballhausplatz und
des ZK der KPÖ durch NKVD-Truppen ging rund einen Monat später ein
weiterer Plan detaillierter ein. Karl Renner bekam einen zehnköpfigen Perso-
nenschutz beigestellt, mehreren Ministern und Politikern – darunter Johann
Koplenig – stellte man je zwei Leibwächter „zur Verhinderung eines Anschla-
ges“ zur Seite. Insgesamt waren 104 Angehörige des 1. Schützenbataillons
des 336. Grenzregiments für diesen Einsatz abgestellt.235 Sie hatten unter an-
derem dafür Sorge zu tragen, dass keine Rotarmisten „ohne Grund“ die Re-
gierungsgebäude betraten. Die Bewachung erfolgte sowohl in der Nacht als
232 RGVA, F. 32900, op. 1, d. 214, S. 2–19, Bericht des Kommandanten des 91. Grenzregiments der
NKVD-Truppen, Oberstleutnant Umanec, über die Kampfhandlungen des Regiments im Raum
Fischbach – Mönichwald, [nach dem 24.4.1945]. Abgedruckt in: Karner – Pickl, Die Rote Armee in
der Steiermark, Dok. Nr. 19. Vgl. dazu insbesondere: Eliseeva, Zum Schutz des Hinterlandes der
Roten Armee, S. 94–96.
233 RGVA, F. 32914, op. 1, d. 10, S. 228, Verordnung des provisorischen Kommandanten des 336.
Grenzregiments der NKVD-Truppen zum Schutz des Hinterlandes der 3. Ukrainischen Front,
Oberst Martynov, über die Bewachung der wichtigsten Objekte in Wien, 12.4.1945. Abgedruckt in:
Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 17.
234 RGVA, F. 38756, op. 1, d. 6, S. 201, Bericht des Kommandanten des 336. Grenzregiments der Trup-
pen des NKVD zum Schutz des Hinterlandes der 3. Ukrainischen Front über die Bewachung der
provisorischen Regierung Österreichs, 5.5.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan,
Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 33. Vgl. dazu auch: Korotaev, Vojska NKVD v Avstrii, S.
146.
235 RGVA, F. 32900, op. 1, d. 212, S. 18f., Plan zur Bewachung von Regierungseinrichtungen der provi-
sorischen österreichischen Regierung und zum Personenschutz einzelner Politiker [nicht nach dem
13.5.1945]. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok.
Nr. 29.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918