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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion280
„Übergang des reichsdeutschen Vermö-
gens an die Sowjetunion“ verbarg sich
der Befehl Nr. 17, einer der folgenreichs-
ten Befehle der sowjetischen Besatzungs-
macht in Österreich. Laut TASS hatte ihn
Militärkommissar Kurasov am 27. Juni
1946, also am Tag vor dem Zweiten Kon-
trollabkommen, unterzeichnet.505 Mit
dieser einseitigen Verfügung stellte die
sowjetische Besatzungsmacht Österreich
vor vollendete Tatsachen: Die im „östli-
chen Österreich befindlichen deutschen
Vermögenswerte“ seien bereits „als
deutsche Reparationsleistungen in das
Eigentum der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken übergegangen“. Die
Leitung des genannten Eigentums ob-
lag demnach der „Verwaltung für Sow-
jeteigentum im östlichen Österreich“.
Verheimlichung von „Deutschem Eigen-
tum“ wurde unter Strafe gestellt.506
So korrekt die Formulierung klang,
so hatte der Befehl doch einen enormen
Schönheitsfehler: Es gab keinen Hinweis darauf, was die Sowjets unter dem
Begriff „Deutsches Eigentum“ konkret verstanden.507 De facto anerkannten sie
keinerlei unrechtmäßige Veränderungen während der NS-Zeit, erzwungene
Besitzwechsel und „Arisierungen“. Dank dieser engen Interpretation dürften
rund 20 Prozent der USIA-Betriebe „arisierte“ Vermögenswerte gewesen sein.508
Der Befehl Nr. 17 und die Übernahme des gesamten „Deutschen Eigen-
tums“ der sowjetischen Zone hatten für Nachkriegsösterreich zwei besonders
weit reichende Folgen: Am 26. Juli 1946 beschloss die österreichische Bun-
desregierung das Erste Verstaatlichungsgesetz. Damit zwang sie die sowjeti-
505 Ebd., S. 18f. Vgl. dazu und zum Folgenden auch Ruggenthaler, Warum Österreich nicht sowjetisiert
wurde, S. 663–665; Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 151f.
506 OÖLA, BH Perg, Schachtel 160, Befehl Nr. 17 des Oberbefehlshabers der sowjetischen Besatzungs-
truppen in Österreich, Kurasov, über den Übergang des Deutschen Eigentums in den Besitz der
UdSSR, 27.6.1946. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Öster-
reich, Dok. Nr. 97.
507 Klambauer, Die USIA-Betriebe in Niederösterreich, S. 22.
508 Klambauer, Staat im Staate, S. 184.
Abb. 35: Der sowjetische Militärkommis-
sar Generaloberst Vladimir Kurasov un-
terzeichnete laut TASS am 27. Juni 1946,
dem Tag vor dem Zweiten Kontrollab-
kommen, den folgenreichen Befehl Nr. 17.
Demnach ging das „Deutsche Eigentum“
in das Eigentum der Sowjetunion über.
(Quelle: Votava, Wien)
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918