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habe ich hier verfehlt, sie wohnte in diesem nämlichen gasthofe, reiste aber
am tage meiner Ankunft ab, über Wien nach Preußen, da ihr mann gestor-
ben ist.1 einen weiblichen dragoner lernte ich neulich kennen, eine gräfinn
rat de Pons, verwittwet gewesene comtesse de vaudreuil, als welche sie
mit fritz schwarzenberg in der Welt herum flanquirte, dieses scheint ihre
schönste erinnerung zu seyn, denn sie spricht von nichts Anderm als von
fritz. Auch nandine karoly ist hier, spielt aber in ihrer einsamkeit eine
traurige rolle, wie verschieden von sonst! meine favorite ist Jane Pallavi-
cini, welche ich viel bey Palfy sehe, eine junge Person voll intelligenz und
gutmüthigkeit. resi thurn spielt noch immer am 5. Akte ihrer erzherzogli-
chen komödie,2 sonst stehen wir aber auf dem besten fuße.
die drey erzherzoge sind gestern Abends fort, nachdem am morgen die
feyerliche Bestattung der leiche erzherzog friedrichs gewesen war, ich
konnte dieser nicht beywohnen, weil ich keine uniform mit mir habe, ich
sah die erzherzoge mehrmals bey Palfy, thurn, schwarzenberg etc. in Wien
scheint man sich endlich von der Bedeutung der italienischen vorgänge
überzeugt zu haben, und es sollen nach mailand energische Befehle ergan-
gen seyn. vedremo, ich aber glaube an nichts gescheidtes, am wenigsten, so
lange erzherzog rainer vicekönig bleibt. in mailand ist es, einige lächerli-
che demonstrationen abgerechnet, ruhig, dagegen hat es in Pavia und tre-
viso emeuten gegeben, in Pavia gab es 2 todte und 18 verwundtete. Auch
in Padua spukt es bedenklich so wie eigentlich im ganzen königreiche. die
mailänder centralcongregation hat ihr gutachten erstattet und verlangt
1. unabhängigkeit von Wien, 2. eine italienische hofkanzley in mailand, 3.
milderung der censur, 4. öffentlichkeit der gerichte, 5. öffentlichkeit der
finanzverwaltung, 6. öffentliche rechnungsablage über die italienische
staatsschuld, 7. ein neues stempelgesetz, 8. verminderung der deutschen
Beamten, 9. erweiterung der Befugnisse der centralcongregation nach dem
Wortlaute der Patente von 1815, 10. verminderung der steuern. spaur und
erzherzog rainer haben diese vorschläge mit freudenthränen aufgenom-
men, so weit sind wir schon gekommen.
hier wird für die „vittime des 3. gennajo“ in mailand gesammelt, die Poli-
zey hat es vergebens zu verhindern gesucht. die beyden quêteuses, gräfinn
giustinian und Bentivoglio, wurden neulich bey ihrem eintritte in die fe-
nice wüthend applaudirt, an dergleichen kleinen und lächerlichen demon-
strationen fehlt es hier überhaupt nicht, ein paar tüchtige ohrfeigen, die
1 hier dürfte es sich um eine fehlinformation handeln, graf hermann lottum starb erst am
13.10.1849.
2 Gemeint ist der kurz zuvor verstorbene Erzherzog Ferdinand, zu dem Gräfin Theresia
thurn-valsassina eine enge Beziehung hatte.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien