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18 Tagebücher
ertheilen und contributionen auszuschreiben pour les saigner à blanc, mit
mittelwegen und halben maßregeln wird man die sache nur ärger machen,
und zuletzt kann nur gott wissen, wohin es noch kommen wird.
die Adreßdebatten in der französischen Pairskammer kommen eben recht,
um hier die köpfe zu erhitzen, es ist viel über italien und Pius iX. gesprochen
und darüber ein Paragraph in die Adresse eingeschaltet worden, dAltonshee
hat besonders maßlos über den kaiser und fürst metternich gesprochen.
Aus ungarn nicht viel neues, vom landtage nur persönlicher scandal,
abermals ein ausgeschlagenes duell zwischen d. vay und m. Waldstein,
charlotte Zichy, die sich wegen emmanuel Andrásy von ihrem manne schei-
den läßt, etc. diese eheskandale, die sich jetzt so häufig und fast ausschließ-
lich in einer und derselben coterie, d.i. der opposition, wiederholen, müssen
einen widrigen eindruck machen.
neulich lernte ich hier eine charmante junge frau kennen, Jules
Apponyi’s frau, ich habe immer eine besondere vorliebe für die ungarischen
Weiber gehabt, und ich hätte gar nichts dagegen, wenn diese vorliebe eine
vorbedeutung wäre. für diesen Augenblick gehen zwar meine Absichten
eine andere richtung, doch kömmt es mir überhaupt vor, als ob diese mir
aufgedrungene, obwohl gerade nicht unangenehme idee ewig eine bloße
idee bleiben sollte. Zu dergleichen negociationen, so sehr ich auch deren
nothwendigkeit einsehe, bin ich nun einmahl nicht geschaffen, übrigens
sind nebstdem noch bey der gegenwärtigen bedeutende nisi’s, und so hoffe
ich beynahe dasjenige, was ohnehin wahrscheinlich geschehen wird: daß aus
der ganzen sache nichts werden wird.
nandine károly hat sich jetzt unglücklicherweise auf den fuß gesetzt,
soiréen zu geben, bey denen niemand erscheint.
die verhaftungen hier und in der lombardie nehmen zu, in Padua wurde
u.a. der richter Preti arretirt, in mailand Battaglia, rosales und soncino,
diese 3 sind nach laibach gebracht worden, hier hat sich die municipalität
und der ganze Advocatenstand für die freylassung maninis verwendet.
[venedig] 26. Jännner
seit ein paar tagen haben wir endlich schönes Wetter, und da ist venedig
allerdings angenehm und schön. dennoch aber bin ich entschlossen, am 3.
Abends abzureisen, wo ich dann am 6. früh in Wien seyn kann, sollte das
Wetter so schön bleiben, so werde ich wider alle vermuthung sogar ungern
abreisen.
nicht viel neues, ausgenommen eine revolution in sizilien und wahr-
scheinlich jetzt auch schon in neapel,1 hier erfinden die leute täglich neue
1 der Aufstand in sizilien war am 12.1.1848 ausgebrochen.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien