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nach kräften zu arbeiten, um mir diese hochwichtige gabe zu erwerben,
denn nur dadurch kann ich mir die stellung in der versammlung erwer-
ben, welche ich einzunehmen berufen bin, ja sogar nach meiner zweymali-
gen Wahlen [sic] zum vicepräsidenten, denn am tage meiner Abreise von
hier wurde ich wieder auf weitere 4 Wochen gewählt, dazu verpflichtet bin.
Wenn ich auch bisher im conseil, in conferenzen etc. eine bedeutende stel-
lung eingenommen habe, so werde ich doch, wenn ich nicht auch als redner
in der versammlung auftrete, was bisher noch gar nicht geschehen ist, nie
einer der ersten werden), heckscher also machte einen versuch, d.h. am
morgen zuhause bey unserer vorbesprechung, die Antrittsrede für sich in
Anspruch zu nehmen, ich aber nahm mein recht als chef der deputation
entschieden in Anspruch, und so wurde ausgemacht, daß ich eine kurze
Begrüßungsrede, dann heckscher eine Anrede und endlich nach erfolgter
Annahme des erzherzogs ich noch einige schlußworte sprechen sollte. der
feierliche hergang der Audienz (in gegenwart der minister, des hofstaates
und des deutschen diplomatischen corps), die Annahme des erzherzogs, je-
doch ohne sich über den Zeitpunkt seiner Abreise noch auszusprechen, der
endlose Jubel, als er sich dann mit uns auf dem Balcon der menge zeigte,
Alles dieses gehört der geschichte an, wir gingen dann zu fuße im feyerli-
chen Zuge nach hause.
Abends hatte ich eine 2stündige Besprechung mit dem erzherzog, wel-
chem ich den stand der dinge, die Partheyen und männer in frankfurt
schilderte, er war sehr unvollkommen unterrichtet und schien es noch im-
mer für möglich zu halten, seine stellung in Wien mit der in frankfurt
zu vereinigen, was ich aber nachdrücklich widerlegte. ebenso entschieden
lehnte ich die idee ab, welche er und die minister vorbrachten, die natio-
nalversammlung nach regensburg, linz oder Wien zu verlegen.
Begreiflich ist es, daß er sich nur ungern von Wien trennte, da er der
einzige nothanker des momentes ist und zugleich die wichtigsten Angele-
genheiten der monarchie zu ordnen hat, so z.B. die differenzen zwischen
den Ungarn und den Croaten, welche durch die perfiden Winkelzüge der
kaiserlichen familie in innsbruck jetzt so weit gediehen sind, daß ein Bür-
gerkrieg am Ausbrechen ist. louis Batthyány kam deßhalb nach Wien, und
ich sprach ihn mehrere stunden lang am Abend im volksgarten, wo ein
großes fest war, er war sehr erbittert über diese doppelzüngige Politik,
welche er auch dem österreichischen ministerium schuldgab, der reichstag
in Pesth ist eröffnet, sie wollen und werden dort 40 millionen Budget und
200.000 mann begehren und erhalten! es wird von beyden seiten feindselig
und unloyal verfahren, von österreichischer seite will man durch die hülfe
der croaten das ungarische kriegs- und finanzministerium wieder an sich
ziehen, d.h. aufheben, von ungarischer sucht man die österreichische (un-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien