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15512.
August 1848
dagegen es sich zu sehr verspäten würde, wenn ich, wie es Anfangs meine
Absicht war, am mittwoche den 16. mit dem erzherzog zurück käme und
dann erst abreisen würde. übrigens wird es eine großartige feierlichkeit
werden, die könige von Preußen und Belgien kommen hin, und ebenso noch
an 300 mitglieder der nationalversammlung, die sämmtlich von der stadt
cöln bewirthet werden.
Wir hatten nachher noch eine ziemlich lange Privatconferenz mit heck-
scher, welcher uns dann seine mündlichen mittheilungen machte. rück-
sichtlich der inneren Angelegenheiten deutschlands bleibt es uns über-
lassen, dieselben in dem angemessenen lichte darzustellen. es erübrigte
dann also nur noch, über die schleswigsche und über die italienische frage
zu sprechen.
Wegen schleswig ist die centralgewalt vollkommen zu einem frieden,
der sich mit der ehre deutschlands verträgt, bereit. die hauptschwierig-
keiten liegen in der Auswahl der Personen, welche die neue provisorische
regierung bilden sollen, und da will sie vor Allem beruhigt seyn, daß leute
gewählt werden, welche wirklich regiren können.
in italien ist das cabinett entschlossen, sich bey der vermittlung, wenn
diese von frankreich und england angebothen (wie dieß der fall ist) und
von den beyden kriegführenden Partheyen angenommen werden sollte,
zu betheiligen, in diesem sinne will heckscher einen Agenten nach Wien
schicken (confidentiell), schließt Oesterreich für sich mit Sardinien ab, tant
mieux.
dieses sind ungefähr die ziemlich unvollständigen instructionen, die ich
erhalten habe, übrigens ist england für uns sehr freundschaftlich gestimmt,
daher meine Aufgabe eine vergleichungsweise leichte seyn wird, weniger
wird dieses in rußland der fall seyn. ich reise, denke ich, am dienstag.
in diesen 2–3 tagen habe ich den grund zu einem österreichischen club
gelegt, welcher vorerst bey mir zusammenkommen und einen kern von
etwa 40–50 Abgeordneten bilden sollte. es lag bey mir eine idee der oppo-
sition gegen das neue ministerium (d.h. der eventuellen opposition) zum
grunde, welches mir wirklich wenig chancen eines langen Bestandes zu
biethen scheint, dann hätten wir mit dem neuen cabinett paktiren können.
ich will nun sehen, inwiefern sich dieses von london aus fortführen läßt,
und überhaupt mir hier verbindungen ménagiren, denn da meine sendung
vor der hand nur eine temporäre und ceremonielle ist, so wird es von den
umständen abhängen, ob ich in london bleibe oder vielleicht in einigen
Wochen wieder hier bin.
heute kam die italienische frage in der Paulskirche vor, ich wollte spre-
chen, aber Radowitz hielt eine so vortreffliche Rede, daß ich es für angemes-
sen hielt, unter ihrem eindrucke den schluß zu verlangen, was dann auch
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien