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20 Tagebücher
Wadihalfa fahren, über die beyden cataracten geschieht dann der trans-
port zu lande.
Wir hatten einen sehr starken günstigen Wind, welcher noch immer an-
hält, daher wir nach einigem Aufenthalte im hafen, ohne uns irgendwo
weiter aufzuhalten, fortfuhren und noch fahren.
Zuerst kamen wir an Philoë vorüber, der schönste Punkt, den ich bisher
in egypten sah, hohe schwarze granitfelsen zu beyden seiten und zwischen
diesen und dem flusse ein schmaler streif üppiger vegetation, inmitten
des flusses die insel mit ihren herrlichen ruinen.
gegen Abend kamen wir an debud, in der nacht an kalabsche, heute
früh, als ich an Bord kam, an dem tempel von dendur und nach dem früh-
stücke an gerf hossain vorüber, so daß wir jetzt schon etwa 70 meilen in
nubien zurück gelegt haben. in gerf hossayn wollten wir aussteigen, um
den tempel anzusehen, verschoben dieß aber auf die Bitte des reis bis
zu unserer rückkehr, um den günstigen Wind nicht zu versäumen. die-
sen morgen haben wir den Wendekreis passirt, doch ist es heute kalt und
stürmisch, 17–18° R., gestern Abends fielen sogar einige Tropfen, hier eine
große seltenheit, dabey donnerte und blitzte es.
Bisher ist keine große verschiedenheit des landes gegen Aegypten zu
sehen, nur sind die Berge zu beyden seiten näher, kaum wenige schritte
vom ufer entfernt, daher nur ein sehr dünner streif bebauten landes, jen-
seits der Berge ist die Wüste, daher begreiflicherweise Nubien ein armes
land, die Berge selbst kahl und wild und mehr wie große schutthaufen
aussehend. die Bauart der dörfer so wie in Aegypten, nur scheinen sie
netter und reinlicher. die leute sind nackt oder fast nackt und scheinen
wilder, so z.B. laufen sie am ufer mit großem geschrey zusammen, na-
mentlich die kinder, so oft wir ein dorf passiren, und wagen sich nicht in
unsere nähe, selbst nicht, um geld zu nehmen, wenn sie etwas verkaufen
etc.
einen eigenthümlich wilden Anstrich hat ihr schwimmen auf Baum-
stämmen, auf denen sie sitzend oder reitend den fluß übersetzen.
man gewöhnt sich sehr schnell an die dunkelbraune farbe der Aegyptier
und nubier, ja ich möchte beynahe sagen, daß ich sie der unserigen vor-
ziehe, dazu kömmt, daß der Wuchs und die formen dieser leute meistens
klassisch schön sind.
gestern schlichtete ich mit salomonischer Weisheit einen streit wegen
der verköstigung des Piloten, die der reis uns zuschieben, mohammed da-
gegen diesem aufbürden wollte, indem er dabey zunächst betheiligt sey, ich
entschied, nachdem darüber nichts ausgemacht worden sey, so müsse es
dem Piloten überlassen bleiben, ob er es vorziehe, zu verhungern oder aber
sich selbst zu ernähren.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien