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24 Tagebücher
der koptische Patriarch in cairo ernennt den Bischof, metrun, von
Abysssinien aus einem der koptischen klöster Aegyptens.1
[am nil zwischen Abu simbel und Wadi halfa] 19. Jänner
vorgestern mittags kamen wir an derr vorüber, der ehemaligen haupt-
stadt nubiens, ein elendes dorf mit einem einzigen halb stattlich aussehen-
den hause, dem des ehemaligen königs aller nubier, hassan kiaschef ge-
nannt, welcher noch dazu ein legitimer erblicher monarch war. der mann
ist seit 3 Jahren todt, hat aber 30 söhne hinterlassen, welche Alle so wie
der Papa eine Pension von der regierung beziehen, ziemlich wohlhabend
sind und eine Art von lokalautorität, ungefähr wie ein scheik el Beled,
repräsentiren, die steuern für die regierung einsammeln, die rekruten-
stellung besorgen etc., ihr nächster vorgesetzter ist der effendi in Assuan,
über diesem steht der mudir in esnè, und über diesem wieder der Pascha in
siut, das reich des Paschas von chartum fängt hinter Wadihalfa an.
es ist dieß vielleicht das einzige Beyspiel einer so ruhig abgesetzten und
in den Privatstand zurück getretenen dynastie, beherzigungswerth für eu-
ropa.
Am Abende ankerten wir bey ibrim, hier beginnt ein neuer stamm und
eine neue sprache: die eigentlichen nubier, von Assuan bis her waren es
die kensee Aethiopias. ibrim selbst ist unbedeutend, doch sieht man auf
einem hohen felsen dicht am nil die ruinen einer alten festung, von den
römern erbaut, welche hier bey gelegenheit des krieges mit der königinn
von Aethiopien candace, zu Augustus Zeiten, eine Besatzung hatten. Wäh-
rend dieses krieges unternahm der Proconsul von Aegypten Petronius sei-
nen berühmten Zug nach napata, der hauptstadt von Aethiopien, hinter
dongola, es heißt jetzt el Berkel. ibrim hieß Primis.
das land wird von hier an etwas besser kultivirt, d.h. die streifen lan-
des zwischen dem nile und den Bergen und der sandwüste etwas breiter,
besonders sieht man hier massen von dattelbäumen. Auch grotten, d.i.
gräber in den Bergen wie in Aegypten, sieht man hier wieder.
Wir kauften gestern von ein paar leuten 2 chamäleons, welche uns viel
spaß machen, sonst habe ich noch keine tropischen Bestien gesehen. um
diese, Affen, elephanten, löwen, giraffen etc. zu sehen, müßte ich bis nach
dem sennaar oder Abyssinien gehen. die versuchung wäre groß, doch hätte
ich mich dazu von allem Anfange entschließen müssen, jetzt zieht es mich
viel mächtiger nach der civilisirten Welt zurück.
1 der gebräuchliche titel für das oberhaupt der koptischen kirche in Abessinien war Abuna,
nicht metrun.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien