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Jänner 1854
gestern beym einbruche der nacht kamen wir nach ipsambul1 und
gingen uns die beyden tempel besehen, bey kerzen- und laternenlicht,
beyde beynahe ganz in sand verschüttet, jedoch noch sehr gut erhalten,
es scheint, daß der Zerstörer cambyses nicht bis hieher kam, sie sind von
sesostris. An dem großen tempel sind namentlich die 4 colossalen statuen
am eingange bemerkenswerth, von denen aber nur eine vollständig aus
dem sande herausgegraben ist.
heute segeln wir bey schwachem Winde und hoffen, Abends in Wadi-
halfa zu seyn, dann geht es heimwärts.
hinter Wadihalfa hört die schifffahrt, außer bey sehr hohem Wasser,
ganz auf und fängt erst 3 tage vor dongola wieder an, die Wasserfälle und
strömungen des nils erstrecken sich von Wadihalfa an über eine strecke
von 7 tagen.
sehr eigenthümlich sind hier die formen der Berge, wie kegel oder um-
gestürzte champagnergläser, manchmal wie in der mitte abgeschnitten,
und sehr oft völlig isolirt und einzeln aus einer sandebene emporsteigend.
gestern beym Abfahren von ipsambul wollte freeman einige englische
Boote salutiren und verdarb mir dabey das schloß eines meiner gewehre,
hier ein sehr unangenehmer Zufall.
[am nil vor Abu simbel] 21. Jänner
vorgestern Abends gegen 1/2 9 uhr waren wir in Wadi halfa, es ankerten
daselbst noch 3 englische Boote. gestern früh nach dem frühstücke erhiel-
ten wir den Besuch eines der söhne hassan kiaschef’s, Ali effendi mit nah-
men, welcher hier das Amt eines sheik el Beled bekleidet, ein ungeheuer
großer Kerl mit einem pfiffigen Copten als Sekretär. Er schien ziemlich
dumm, gutmüthig und etwas verlegen, kurz ungefähr wie ein europäischer
Prinz. er reemptirte mit einiger verschämtheit ein glas maraschino und
nahm dann, ebenso verschämt, die ganze flasche an und mit.
Wir fuhren dann über den strom, an welchem auf der anderen seite ein
paar caravanen aus dem süden und eine aus cairo mit europäischen ma-
nufakturen lagerten, es waren hauptsächlich sclaven aus kordofan, sen-
naar und Abyssinien, einige mädchen aus dem letzten lande sehr hübsch
und intelligent aussehend, ein männlicher sklave mit einer großen hölzer-
nen gabel am halse, um ihn am entlaufen zu hindern, sie rührten eben
eine Art Brey, tauchten die finger darein und leckten sie dann ab, ein mäd-
chen mahlte korn zwischen 2 steinen und sang eine melancholische Weise
dazu, das Alles sah höchst primitiv aus, doch schienen sie fast ohne Aus-
nahme sehr wohl und guter dinge zu seyn. Wir leerten unsere mit kupfer-
1 Abu simbel, französisch ibsamboul.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien