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Februar 1854
das Auffallendste aber, was mir hakekarBey sagte, war die Abhängig-
keit, in die regierung und land gegen die Beduinen gerathen ist. diese
bewachen das ganze land, und die einzelnen gemeinden sowie der Pa-
scha selbst in seinem 2 meilen von cairo gelegenen schlosse Abusir, ja,
was unglaublich scheint, die militärischen encampments und Artillerie-
lager müssen sich um schweres geld durch Beduinen bewachen lassen,
um so ihre sicherheit zu erkaufen. es ist noch mehr eine moralische als
eine materielle macht. Abbas Pascha hält sie soviel als möglich durch
jährliche fixe Zahlungen, Geschenke und Bauten, welche er in der Wüste,
z.B. jetzt im Pallast bey Akaba in der halbinsel des sinai, unternimmt,
und wobey er sie beschäftigt, im Zaume, namentlich ist er um die sicher-
heit der overlandroute von hier nach suez besorgt und daher beständig
in dieser gegend unterwegs, er weiß wohl, sagte hakekarBey, daß, wenn
einmahl da ein Scandal vorfiele, England und ganz Europa Feuer und
flammen speyen und seiner jungen dynastie das lebenslicht ausbla-
sen würden, und dieser fall könnte durch geld und intriguen der Pforte
(wenn sie einmahl ruhe bekäme) leicht herbeygeführt werden. voilà
pour l’entente cordiale zwischen hier und constantinopel. daher rennt
der Pascha unaufhörlich hin und her und organisirt jetzt ein regiment
von auf dromedaren berittenen türken, was jedoch Alles nur Palliative
sind.
Wie wäre es aber, wenn sich unter diesen verhältnissen ein religiöser
oder politischer Abdelkader unter den Beduinen fände?1 Welche Analogie
mit der Wüste und dem nil, typhon und osiris.
der handelstractat von 1842 stipulirt,2 nebst Aufhebung der Binnen-
zölle (jedoch zahlen türkische Waaren, die zur See in einen türkischen ha-
fen verführt werden, den vollen einfuhrszoll!) und der Accise für europäer,
einen eingangszoll von 5 und einen Ausfuhrzoll von 12% anstatt wie früher
ohne unterschied 3%. daher die türkische industrie in Brussa, smyrna,
Aleppo, damascus etc., welche sonst bedeutende exporte nach Afrika, eu-
ropa etc. hatte, jetzt zu grunde gerichtet ist. das war die Absicht der eng-
länder. nach und nach treten auch die anderen mächte, ungeschickt genug
auf das Andringen der Pforte selbst (welche in ihrer kurzsichtigkeit nur die
erhöhten Zolleinnahmen vor Augen hatte), bey. doch hat jede ihren eigenen
tariff d.h. Werthschätzung. für Aegypten besteht ein besonderer solcher
1 Abd el kader leitete seit 1832 den Widerstand der nordafrikanischen Berberstämme gegen
die französischen kolonialtruppen. er wurde ende 1847 endgültig besiegt und war bis 1852
in französischer gefangenschaft.
2 tatsächlich sind die Bedingungen der britisch-türkischen handelskonvention von 1838,
nicht 1842, gemeint.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien