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März 1854
von 2 stunden, anstatt dessen nach china zu reisen, und entsagte seinen
kriegerischen Plänen, aber nicht dem Profitchen. Der neue Generalconsul
der vereinigten staaten, mr. de leon, ein radikaler Adonis, verkaufte mir
diese Waffe.
neulich war ein langweiliger Ball hier im hause, wobey 2 Banken lans-
quenet1 (es wird hier überall enorm hoch gespielt) etablirt waren, von de-
nen die eine bis 3 uhr nachmittags am andern tage aushielt. vor ein paar
tagen hatte ich eine ziemlich matte fantasìa in semssey’s [?] hause mit
diesem und de leon.
ich war in diesen tagen mit visconti im Atelier des malers schranz, der
ganz außerordentlich hübsche sachen hat.
in Jerusalem soll es zwischen den katholischen und griechischen mön-
chen zu so ernstlichen schlägereyen gekommen seyn, daß der französische
Consul Reißaus nahm und nach Jaffa geflüchtet ist.
ich verlasse Aegypten beynahe ungern, ich glaube, daß man sich sowohl
an das land als an das übrigens so ziemlich langweilige cairo sehr bald
gewöhnen könnte.
huber, dem ich heute meinen Abschiedsbesuch machte, ist höchst unge-
halten über Abbas Pascha’s unsichtbarkeit und nichtantworten auf alle
seine Anfragen, er meint, daß sich hier eine crisis vorbereite, des Paschas
antieuropäische tendenzen träten immer mehr vor, vielleicht ermuthigt
durch die momentanen militärischen und diplomatischen erfolge der tür-
ken, so hat er so eben den Befehl erlassen, alle contraite und handelsge-
schäfte zwischen den fellahs und fremden zu verhindern und den erstern
in jedem einzelnen falle einen um 1 Piaster höhern Preis anzubieten, damit
die Producte nicht außer landes gehen, natürlich würde dem fellah nicht
nur dieses eine sondern auch ein großer theil der andern Piaster wieder
abgenommen, es ist also eine verkappte Wiedereinführung des regierungs-
monopols mehemet Alis. nebstdem wird der Pascha, sagt huber, täglich
grausamer, mißtrauischer, speist aus furcht vor vergiftung nur mehr auf
gold und läßt sich von Astrologen etc. leiten. Wenn das so fortginge, meint
huber, würde er geradezu auf seine Absetzung durch die Pforte dringen.
heute Abends beschließe ich meinen Aufenthalt in cairo mit einem
„punchins“2 bey dem guten alten champion.
Jerusalem (arabisch el khudz) 15. märz
meine Abreise von cairo verzögerte sich um einen tag, der Abschluß des
contractes mit den Arabern, welcher vor dem consulate aufgenommen, von
1 ein kartenspiel.
2 Wohl ein Wortspiel auf punch – Punsch.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien