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Oktober 1857
gleichzeitig bey der Westbahn in rechnung gebracht. sowie ich von diesen
gerüchten kenntniß erhielt, trat ich sogleich auf das kategorischeste und
entschiedenste auf, berief die beyden verwaltungsräthe und erklärte, ohne
im Principe auch nur ein haarbreit nachzugeben, die lügenhaftigkeit des
letzteren gerüchtes und machte somit der sache ein ende, welche ohnehin
schon halb vergessen war, dennoch fühle ich den ekel und Widerwillen,
mich über eine solche Anschuldigung verantworten zu müssen, noch immer
in mir nachvibriren, ich war bisher gewöhnt gewesen, nur mit gentlemen zu
verkehren, leider bringen mich meine neuen geschäfte, in die ich sehr wider
meinen Willen gedrängt worden bin, nun auch mit leuten in verbindung,
die keine gentlemen sind.
Was aber die sache complicirte und mir noch unangenehmer machte, war,
daß feri Zichy, ohne mir auch nur ein Wort davon zu sagen, von dem um-
stande Anlaß nehmend, daß mit 1. october das erste Jahr seiner Präsident-
schaft und meiner stellvertretung zu ende ging, mir diese stellvertretung
mittelst eines offiziellen, aus mailand datirten schreibens an den hiesigen
verwaltungsrath abgenommen und sie für das nächste Jahr an toni szé-
csén übertragen hatte, was auch bereits vor meiner Ankunft dem conseil
ämtlich mitgetheilt worden war. die coincidenz dieser maßregel mit jenen
gerüchten war mir so unangenehm, und ich überhaupt über die cavalière
form derselben so aufgebracht, daß ich von feri Zichy, als er am 10. hier an-
kam, explicationen fordern ließ. nach zweytägigen pourparlers wurde dann
die sache damit beygelegt, daß feri Zichy mich pro forma in gegenwart des
verwaltungsrathes ersuchte, die stellvertretung wieder zu übernehmen, ich
dieses ablehnte, worauf der verwaltungsrath mir sein Bedauern und seinen
dank für meine leistungen votirte, und die ganze komödie in das Protocoll
aufgenommen wurde. toni szécsen benahm sich bey dieser ganzen unan-
genehmen verhandlung ebenso loyal, als feri sich ungeschickt, zweydeutig
und misérabel benahm. ich bin eigentlich froh, diese stellvertretung, welche
bey den meinungsverschiedenheiten zwischen Zichy und mir immer unhalt-
barer wurde, los geworden zu seyn, ich kann nun unabhängiger auftreten
als bisher, wenn ich nämlich überhaupt noch lust habe, mich mit den An-
gelegenheiten dieser gesellschaft, welche ein wahres Wespennest von intri-
guen aller Art ist, viel zu befassen. Auch habe ich dadurch meine persönliche
freyheit wieder erlangt, welche bisher durch diese stellvertretung sehr be-
schränkt war. Andererseits erleide ich aber dadurch einen pecuniären Aus-
fall in meinen revenueen, welcher mir gerade jetzt sehr empfindlich ist.
theils um mich von diesen unangenehmen eindrücken zu erholen, theils
um vor dem eintritte des Winters das nöthige veranlassen zu können, un-
ternahm ich am 20. eine inspectionsreise der Westbahnarbeiten von hier
bis linz, und zwar in gesellschaft keissler’s, beging den größten theile der
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien