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Februar 1858
cher tag und nacht nicht aufhört und mir unaufhörlich in den ohren gellt,
so daß ich froh seyn werde, wenn der tanz morgen endet. ich kann nicht
sagen, daß dieses sinnlose geschrey, diese rein animale lustbarkeit etwas
Angenehmes oder erheiterndes für mich hat. die eigentliche gesellschaft
ist übrigens in diesem Jahre ziemlich monoton, weniger fremde als sonst,
wie man mir sagt, und jedenfalls wenig Bewegung, an Bällen hat es, seit ich
hier bin, außer dem costumeballe bey Pourtalès nur zwey bey Bissingen, wo-
von gestern der letzte, gegeben, das theater ist schlecht, die redouten, von
denen ich zwey besuchte, wenigstens für einen fremden wie ich langweilig,
es gibt weder viele hübsche frauen noch markante oder sonst interessante
menschen hier, doch ist es immerhin für mich ein Wechsel der scenerie und
der menschen, daher erfrischend, dazu eine Anzahl alter und guter freunde,
und endlich denn doch ein weit geselligeres leben als das, welches ich in
Wien zu führen gezwungen bin, namentlich aber damengesellschaft, wel-
che ich dort mit einer einzigen Ausnahme fast ganz entbehre. Aber gerade
diese eine Ausnahme zieht mich stark nach Wien zurück, denn sie wird mir
immer theurer und unentbehrlicher.1 ich gedenke, in der nächsten Woche
einen Abstecher nach mailand zu machen und dann in den ersten tagen des
kommenden monats nach Wien zurückzukehren.
mein leben ist hier so ziemlich alle tage dasselbe. vormittags zwischen
2 und 5 versammelt sich die ganze schöne Welt auf der piazzetta und geht
da auf und ab, der marcusplatz ist verwaist weil kalt. ich esse meistens in
dem europa an der table d’hôte mit Borkowski, Badeni etc., zu denen nun
auch micherl coronini gekommen ist, die Abende theile ich mir zwischen
Pallavicini, der fenice und mathilde Berchtold ein, bey ersterer finde ich
als stammgäste den alten feldmarschall nugent, gyulai, falkenhayn, Bebe
strozzi, Pierre Arenberg etc., bey Berchtold ausschließlich männergesell-
schaft: széchényi, herberstein, Wrede, Alexander erdödy etc.
edmund und henriette Batthyány (geschiedene todesco) habe ich nun
auch gesehen und war in diesen letzten tagen ein paarmahle bey ihnen, sie
leben hier ganz einsam und zurückgezogen, woran sie wohl thun, da seine
nächsten verwandten erdödy, montenovo etc. keine notiz von ihnen neh-
men wollen. sie sprach mir neulich lange darüber und wollte meinen rath,
wie sie es machen müsse, pour se mettre en règle, ich sagte ihr, vor Allem
Andern müsse sie trachten, daß der fürst Batthyány als chef der familie
sie empfange, dann werde des übrige von selbst, wenn auch langsam ge-
hen.2 sie hatte mir schon im november deßhalb geschrieben, und edmund
1 gemeint ist gabriele v. neuwall.
2 graf edmund Batthyány hatte am 14.2.1857 henriette gumpel geheiratet, die in erster
ehe mit dem Wiener Bankier und industriellen maximilian todesco verheiratet war. die
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien