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Tagebücher350
Batthyány war in Wien bey mir gewesen. doch hat er die Winke und die
paar Briefe, welche ich ihm auf seinen Wunsch gab, gar nicht oder unge-
schickt benützt, überhaupt scheint mir, daß die sache schwer gehen wird, da
er, welcher doch die hauptrolle übernehmen müßte, ein höchst unbedeuten-
der und ganz incapabler mensch ist, und sie bey all ihrem geiste weder takt
noch terrainkenntniß besitzt.
ich habe mich hier geflissentlich der lombardischvenezianischen eisen-
bahngesellschaft ganz ferne gehalten, ja sogar, wenn ich klagen hörte (und
man hört nichts anders, wenn überhaupt davon gesprochen wird, und zwar
eben sowohl im Publikum als bey den Behörden), ausdrücklich erklärt, daß
ich nichts mehr damit zu thun hätte und bloß dasjenige erführe, was man
für gut finde, uns am sitzungstische vorzutragen. dennoch aber habe ich
von mehreren höchst competenten seiten her dinge gehört, welche zu wich-
tig sind, um übers dach weggeblasen zu werden, über die ich mich daher nä-
her informiren und vielleicht dann einen entschluß fassen will. namentlich
sagte mir gyulai, daß der größte theil des Personales aus revolutionären
antiösterreichischen elementen bestehe, und jeder politisch compromittirte
darauf rechnen könne, in demselben Aufnahme zu finden. gestern war mein
alter Bekannter, der hiesige Polizeydirector franceschinis 2 stunden lang
bey mir und bestätigte mir dasselbe mit vielen détails, es sey schon so weit,
dass das militär im ernste daran denke, unteroffiziere etc. zum locomotiv-
dienste abzurichten, um bey der ersten gelegenheit im nächsten kritischen
momente unser Personale ablösen und theilweise verhaften zu lassen, er
habe gegründete vermuthung, daß die conducteurs etc. schon jetzt politi-
sche contrebande treiben, und viele andere dinge mehr, er habe auch schon
deßhalb nach Wien berichtet, aber als Antwort eine Abschrift der conces-
sion und des vertrages erhalten mit dem Auftrage, im falle diese verletzt
würden, einzuschreiten!! überhaupt herrsche in der ganzen leitung der
gesellschaft von oben bis herab ein feindseliger antiösterreichischer geist.
dieses letztere weiß ich schon längst, und diesem geiste bin ich ja als opfer
gefallen. die seele dieser richtung ist meiner überzeugung nach Biegler,
und wer ihn dabey am meisten soutenirt, vielleicht ohne zu wissen, wie weit
seine gedanken gehen, ist feri Zichy, welcher im herzen ebenso antiöster-
reichisch und nichts Anders ist als ein beschränkter altconservativer ungar
voll spießbürgerlichem gift und galle, dabey aber ein geschickter intrigant,
Schwestern Gräfin Leopoldine Erdödy und Fürstin Julie Montenuovo, geb. Batthyány, wa-
ren entfernte verwandte, die urgroßväter waren geschwister. familienoberhaupt war der
unvermählte fürst Philipp (1781–1870). da sein Bruder Johann Baptist, der vater von
leopoldine und Julie, bereits 1865 starb, folgte ihm als nächster männlicher verwand-
ter gustav, der vater edmunds, worauf edmund selbst nach dem tod seines vaters 1883
fürst wurde.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien