Page - 21 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
Image of the Page - 21 -
Text of the Page - 21 -
2.1 Entwicklungen vor 1918
2.1.1 Musizieren wird zur Massenkultur
Während des 19. und frühen 20.
Jahrhunderts wurde Musizieren in verschiedener Hin-
sicht zum Massenphänomen: von der Massenfertigung der Werkzeuge des Musizie-
rens (Instrumente und Noten) über den Absatz von Musik (in Form von Noten und
Auftritten) im großen Stil bis hin zur starken Zunahme musikalischer Ausbildungen,
die sowohl angeboten als auch nachgefragt wurden. Musizieren als Massenphänomen
beinhaltete sowohl eine starke quantitative Zunahme derer, die musizierten oder Musik
hörten, wie auch eine Standardisierung von Repertoires, Genres oder Musikstilen.
William Weber bezeichnet bereits die Verbreitung klassischer Musik (etwa der
Kompositionen von Haydn, Mozart oder Beethoven), die Ende des 18.
Jahrhunderts
ihren Ausgang nahm, als frühe Form von Massenkultur.10 Diese zeichnet sich für
ihn durch den Bezug auf eine breite Öffentlichkeit
– im Gegensatz zu persönlichen
Beziehungen zwischen den Musizierenden und ihrem Publikum
– aus. Zuvor bestan-
den sowohl das Publikum von Konzerten als auch die Abnehmer von Kompositio-
nen vor allem aus Personen, die mit dem/der Musizierenden über ökonomische oder
soziale Netzwerke verbunden waren. Typische Beziehungen zwischen MusikerIn
und ZuhörerIn waren etwa eine Anstellung als MusiklehrerIn oder die Einbindung
in das System der Patronage, in dem für einen Mäzen / eine Mäzenatin Werke
komponiert oder Musik aufgeführt wurde. Nicht zuletzt deshalb meint auch Philip
Downs: „Perhaps the most pressing issue in a mid-
eighteenth- century musician’s
life was finding a position, for the kind of position would frequently determine the
nature of his creative output and the extent of his productivity.“ 11 Durch technische
Neuerungen im Notendruck (Lithografie) auf der einen Seite, die fortschreitende
Einrichtung dauerhafter Orchester auf der anderen Seite entstand ein Musikmarkt,
auf dem Kompositionen massengefertigt an eine breite Öffentlichkeit vertrieben
wurden und Konzerte im großen Stil für ein den Musizierenden weitgehend unbe-
kanntes Publikum veranstaltet wurden. Ein Beispiel dafür waren die in den ersten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts beliebten „promenades“:
The grass or floor in front of the orchestra was always an open space; people could walk,
talk, and take refreshments during the performance; […] The key figure was always a
showman and entrepreneur who succeeded in capturing the public imagination from the
10 Weber, Mass Culture.
11 Downs, Classical music, 18. Entwicklungen vor 1918 21
back to the
book Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938"
Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur