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wohlwollender Berichte in der Presse auf eine eher geringe Schlagkraft und Legiti-
mation schließen. Die Organisation wurde 1921 gegründet, 1926 jedoch bereits wie-
der aufgelöst bzw. in den Reichsverband der Straßenmusikanten eingegliedert, der
nahezu keine Quellen über seine Tätigkeit hinterlassen hat.206
Betrachtet man die Ordnungskriterien, die der Vertretung von Musizierenden
durch Organisationen zugrunde lagen, so werden bestimmte Kategorisierungen
sichtbar. Ein zentrales Differenzierungsmerkmal war die Erwerbsmäßigkeit des
Musizierens. Nicht erwerbsmäßig zu musizieren konnte trotzdem beinhalten, immer
wieder für die oft erwähnten „paar Schillinge“, die VereinsmusikerInnen zugesteckt
wurden, zu spielen.207 Wichtig war vor allem das Hauptmotiv für das Musizieren:
Geld oder Idealismus? Damit war die Aufteilung der Vertretung erwerbsmäßig
Musizierender (Gewerkschaften, Krüppelmusikanten) und nicht erwerbsmäßig
Musizierender (Nichtberufsmusikerverbände, Arbeitermusikvereine) weitgehend
geregelt. Die Versuche des Musikerringes, auch die Land- und VolksmusikerInnen
als Mitglieder zu gewinnen, sprechen gerade wegen ihres Scheiterns für die Zentra-
lität dieses Differenzierungsprinzips.
Diese Regelung der Vertretung wurde erweitert durch die Differenzierung zwischen
Musizieren auf dem Lande und Musizieren in der Stadt. Mitglieder der Nichtbe-
rufsmusikerverbände musizierten, auch wenn es nicht explizit so formuliert wurde,
auf dem Land, die von anderen Interessenvertretungen in der Stadt. Nimmt man
die Organisationsstruktur als Hinweis auf tatsächlich bestehende Strukturen, so
könnte man daraus schließen, dass sich das Musizieren auf dem Land um einiges
homogener gestaltete als das Musizieren in der Stadt, wenn auch das Musizieren
umherziehender MusikantInnen auf dem Land in dieser Analogie mangels Vertre-
tung nicht berücksichtigt wurde.
Was nicht oder nur selten als Differenzierungskriterium von Organisationen heran-
gezogen wurde, waren vor allem Aspekte, die auf das Musizieren selbst (und nicht
auf Rahmenbedingungen wie Auftrittsort oder Entgelt) abzielten. So wurde nicht
nach dem gespielten Musikprogramm bzw. dessen Zugehörigkeit zu einem Genre
unterschieden. Die Vielfalt der Unterorganisationen des Musikerverbandes zeugt
davon ebenso wie die bunte Mischung aus Singen, Gymnastik, Zauberei und Tanz
Denkschrift des Verbandes der Musiklizenzinhaber.
206 Illustriertes Wiener Extrablatt (1926), 20. April, 7.
207 Dieser Unterschied zwischen Entgeltlichkeit und Erwerbsmäßigkeit wurde anhand der
Durchführung der Musikerverordnung programmatisch etwa von der BH Bludenz festge-
halten (Vorarlberger Landesarchiv, Bezirkshauptmannschaft Bludenz I, II-1934/Zl. 2.348,
Bezirkshauptmannschaft Bludenz, Kapellmeister- und Musikerverordnung, Beschwerden
über deren Durchführung, 29. November 1934).
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur