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dargestellt wurde. Aufschlussreich ist auch die verschwindend geringe Zahl an
Musizierenden ohne festen Wohnort
– nur acht an der Zahl.218 Damit wird deutlich,
dass etwa umherziehende BettelmusikantInnen, die ja durchaus ihren Haupterwerb
darin finden konnten, in der Volkszählung nicht aufgeführt wurden. Ihr Musizieren
entsprach anscheinend nicht den impliziten Kriterien des Berufes
– sei es, dass die
Befragten andere Berufe nannten, sei es, dass die VolkszählerInnen entsprechende
Antworten ausschlossen. Problematisch für meine Untersuchung ist auch die Zusam-
menfassung von MusikerInnen, MusiklehrerInnen und KapellmeisterInnen in einer
Kategorie. So verhindert diese etwa die Interpretation der unterschiedlich hohen
Arbeitslosenquote von männlichen (ca.
50
Prozent) und weiblichen Musizierenden
(ca. elf Prozent),219 da unklar bleibt, ob dieses Resultat nicht etwa darauf zurückzu-
führen ist, dass der überwiegende Teil der weiblichen Musizierenden der Gruppe
der Musiklehrerinnen zuzurechnen ist, während der Großteil der männlichen Musi-
zierenden als Musiker in die Kategorie eingeht.
Zahlen über Musizierende generierte auch die Musiker- und Kapellmeisterver-
ordnung von 1934. Die notwendige Legitimation von Musizierenden durch Berech-
tigungsscheine ging einher mit ihrer Mitgliedschaft im Musikerring. Dies galt
– im
Gegensatz zur Volkszählung
– mit einigen Ausnahmen für alle in irgendeiner Hin-
sicht erwerbsmäßig Musizierenden, nicht nur für jene, die Musizieren als Beruf oder
Haupttätigkeit betrieben. Die Mitgliederzahl des Musikerringes wurde 1935 mit
15.000 angegeben 220 – immer noch wenig im Vergleich mit der oben angeführten
Mitgliederzahl der Nichtberufsmusikerverbände. Es handelt sich hier also weniger
um eine Darstellung aller 1935 erwerbsmäßig Musizierenden, sondern vielmehr um
einen Indikator für die Durchsetzungskraft der vom Musikerring eingenommenen
Perspektive, der zufolge der Großteil der NichtberufsmusikerInnen erwerbsmäßig
tätig und damit zur Mitgliedschaft im Musikerring verpflichtet war. 1935 war der
Konflikt zwischen Musikerring und Reichsverband über die (Nicht-)Einbeziehung
der Land- und VolksmusikerInnen in das System der Berechtigungsscheine in
vollem Gange. Wie etwa Zwittkovits für das Burgenland beschreibt, war es vielen
erwerbsmäßig tätigen LandmusikerInnen möglich, auch ohne Berechtigungsschein
und Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu musizieren:
218 Bundesamt für Statistik (Hg.), Ergebnisse. Bundesstaat Tabellenheft, 314.
219 Ebd., 314.
220 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1935,
Zl.
35.074, Ring der ausübenden Musiker Österreichs/Gewerkschaftsbund der österreichischen
Arbeiter und Angestellten/Gewerkschaft der Musiker, Vorschläge für den Wiederaufbau des
österreichischen Theater- und Musiklebens durch Schaffung eines gerechten Ausgleiches
zwischen den Interessen der lebenden und mechanischen Musik.
Differenzierungen und Konflikte 1918 – 1938 65
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur