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wie die musikalische Ausbildung in Knabenhorten) im 19. Jahrhundert noch eine
Möglichkeit gewesen, eine vergleichsweise gute musikalische Stelle zu erlangen, so
stellte sie in der Zwischenkriegszeit
– auch aufgrund des Entstehens vieler alternati-
ver Ausbildungsformen
– nur noch eine Option für Jugendliche aus armen Familien
dar, mit wenig Aussicht, damit ein ertragreiches Einkommen zu finden.
Von Anfang an als Ausbildungsstätte für amateurhaftes Musizieren gedacht waren
die Musik- und Singschulen. Musik- und Singschulen waren im 19. Jahrhundert
private Einrichtungen zur Ausbildung von AmateurInnen (im Gegensatz zur künst-
lerischen Ausbildung an den staatlich finanzierten Konservatorien). Zu Beginn des
20.
Jahrhunderts erhielten sie vor allem durch die Jugendmusikbewegung neue Impulse
wie auch veränderte Aufgaben. In Abgrenzung zu den Konservatorien und Akademien
sollten die Musikschulen nun dem ‚Volk‘ Musizieren beibringen.51 In Österreich fand
diese Entwicklung etwa zu Beginn der 1930er-
Jahre statt.52 Exemplarisch dargestellt
wie auch politisch aufgeladen wurden die unterschiedlichen Zielsetzungen der Aus-
bildungseinrichtungen, wenn etwa der Zentralverband der Arbeiter-
Musik-
Vereine
1928 eine Arbeitermusikschule gründete. Ziel war „die kulturelle Höherentwicklung
der weitesten Schichten des Volkes, nicht Erzielung von Spitzenleistungen“
– expli-
zit auch als Gegenentwurf zu den „bürgerlichen Lehranstalten“.53
Eine breite Vielfalt von Ausbildungen konnte hingegen unter dem Begriff des
musikalischen Privatunterrichts zusammengefasst werden. Berühmte MusikerInnen,
pädagogisch und musikalisch über einen längeren Zeitraum ausgebildete Musi-
zierende und auch AmateurInnen gaben auf vielfältige Art und Weise Unterricht.
Privat unterricht fand auch im Musikverein, in Organisationen der Jugendbewegungen
oder in der Familie
– mit sehr unterschiedlicher Qualität
– statt. Bereits im 18.
Jahr-
hundert waren sowohl die Nachfrage als auch das Angebot an PrivatlehrerInnen für
den Musikunterricht gestiegen,54 und der Privatunterricht blieb auch in der öster-
reichischen Zwischenkriegszeit eine gängige Methode für viele Musizierende, das
Musizieren zu erlernen. Als eine von wenigen Möglichkeiten der Berufsausübung
für bürgerliche Frauen fanden entsprechend viele weibliche Lehrerinnen Zugang
zur Tätigkeit des Unterrichtens.55 Nicht zuletzt dieses Eindringen von Frauen in
die musikalische Sphäre, aber auch die große Schwankung der Qualität des Privat-
unterrichts, gaben Julius Flesch Anlass zur Kritik:
51 Mehlig/Abel- Struth, Musikschule, 1610 f.
52 Dies., 1613.
53 Die Volksmusik (1931), Nr. 5/6/7, 1.
54 Heesch, Musikausbildung, 900.
55 Lehmann-
Wermser u. a., Ausbildungsstätten, 349.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur